Einführung

Die Graduiertenschule „Recht als Wissenschaft“ verwirklicht ein neuartiges Konzept der Doktorandenbetreuung im Bereich der Rechtsgeschichte. Ausgangspunkt ist eine ernüchternde Beobachtung. Gerade in der Rechtswissenschaft gibt es eine viel zu große Zahl von Statuspromotionen. Zahlreiche Doktoranden haben kaum Interesse an Wissenschaft, werden schlecht betreut und wollen das auch gar nicht ändern. Es geht lediglich darum, für eine spätere praktische Tätigkeit eine formale Zusatzqualifikation zu erwerben. Unkritisch und unselbständig heruntergeschriebener Nachvollzug von Rechtsprechung und Literatur ist die Folge. Im Gegensatz dazu sind Promotionen in den rechtswissenschaftlichen Grundlagenfächern von vorneherein auf eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung angelegt. Die Fortschreibung autoritativer, etwa justizieller Texte scheidet in diesen Fächern aus. Promotionen in Grundlagenfächern erfordern die Erarbeitung einer präzisen und durchführbaren Fragestellung im bisherigen Forschungsstand, eine fundierte Reflexion der eigenen methodischen Position, die interdisziplinäre Auseinandersetzung und sorgsame und kritische Quellenarbeit. Die Arbeit mit alten Texten macht insbesondere die Rechtsgeschichte zu einer historisch-hermeneutischen Wissenschaft, die nah zu den Wissenschaftsanforderungen in den Geisteswissenschaften arbeitet. Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft lässt sich für die Grundlagen und insbesondere die Rechtsgeschichte deshalb unproblematisch bejahen. Diese Fächer tragen mithin besondere Verantwortung für eine autonome, wissenschaftlich ausgerichtete Rechtswissenschaft. Dies wurde im Gutachten des Wissenschaftsrates zum Stand der Rechtswissenschaft auch besonders hervorgehoben. Aus diesen im Vergleich zu anderen rechtswissenschaftlichen Teilfächern besonderen Bedingungen für Doktoranden folgen besondere Anforderungen an die Betreuung. Die Graduiertenschule „Recht als Wissenschaft“ setzt hier seit einigen Jahren an.

Geschichte

Ihre Anfänge – als rheinische Graduiertenschule – reichen auf das Jahr 2004 zurück. Seit 2006 umfasst sie als rheinisch-westfälische Graduiertenschule die Rechtshistoriker aus Bonn, Köln und Münster mit ihren sämtlichen Doktoranden. Das Leitungsgremium besteht zurzeit aus sieben Professoren: Martin Avenarius, Hans-Peter Haferkamp, Nils Jansen, Sebastian Lohsse, Peter Oestmann, Martin Schermaier und Mathias Schmoeckel. Die Zahl der betreuten Doktoranden schwankt, liegt aber durchweg bei über 30. Im Gegensatz zu DFG-Graduiertenkollegs vergibt die Graduiertenschule „Recht als Wissenschaft“ keine Stipendien. Weitere Informationen zu den Aufnahmebedingungen finden Sie unter Organisation.

Ziele

Es geht der Graduiertenschule nicht darum, die Zahl rechtshistorischer Qualifikationsarbeiten zu erhöhen. Das Ziel besteht ausschließlich darin, die Qualität der Dissertationen zu verbessern. Deswegen gibt es auch keine inhaltliche Beschränkung auf bestimmte Bereiche oder Methoden rechtshistorischer Forschung. Ganz bewusst reicht das Themenspektrum der betreuten Arbeiten von der römischen Antike über das deutsche Mittelalter und das Gelehrte Recht bis hin zur juristischen Zeitgeschichte und zur historischen Rechtsvergleichung. Dieses weite Feld entspricht den Forschungsinteressen des Leitungsgremiums und soll den Doktoranden bei den regelmäßigen Treffen zugleich Einblicke in rechtshistorische Gegenstände vermitteln, die sie während des Studiums nicht kennengelernt haben. Solch breite Spannweite gibt es ansonsten zurzeit nur im Frankfurter Max-Planck-Forschungskolleg. Anders als die üblichen DFG-Graduiertenkollegs und anders auch als in Frankfurt verfolgt die Graduiertenschule „Recht als Wissenschaft“ bewusst kein Ortsprinzip. Nur auf diese Weise ist es möglich, mit einem vergrößerten Betreuerkreis die Bandbreite des Faches abzudecken. Das große Leitungsgremium ermöglicht es den Doktoranden zudem, während ihrer Qualifikationsphase Gespräche mit einer größeren Gruppe von Hochschullehrern zu führen und Anregungen auch jenseits der fachlichen und methodischen Ausrichtung des jeweiligen Betreuers zu erhalten. Bei einer rein individuellen Betreuung wäre das nicht möglich. Zugleich setzen wir damit einen stetigen und konstruktiven Forschungsdiskurs an die Stelle alter methodischer Grabenkämpfe, die die rechtsgeschichtliche Forschung viele Jahre lang belastet haben.
Mit der bewussten Bildung einer großen Graduiertengruppe soll im Übrigen der Vereinzelung entgegengewirkt werden, die in der Promotionsphase häufig zu beobachten ist. Die Doktoranden lernen ihre Probleme als typisch kennen und finden Lösungsangebote bei anderen Betroffenen. Inhaltlich können überlappende Interessen anderer Teilnehmer identifiziert werden. Es entstehen Netzwerke und ein Qualitätswettbewerb, die dem Niveau aller Arbeiten zu Gute kommen. Nicht zuletzt wird und bleibt damit auch die Lust am Forschen lebendig.

Sitzungen

Die Graduiertenschule trifft sich dreimal jährlich in Bonn, Köln und Münster. Die Veranstaltungen sind jeweils zweitägig (Freitag/Sonnabend) und bieten jeweils ca. sechs Doktoranden die Möglichkeit, ihre laufenden Forschungsvorhaben vorzustellen. Daran schließen sich Diskussionen mit den anderen Doktoranden und Professoren an, wobei Wortmeldungen von Doktoranden durchweg vorrangig berücksichtigt werden. Pro Themenvorstellung stehen etwa eine bis zwei Stunden Zeit zur Verfügung. Die Verantwortung des Doktorvaters und der persönliche Kontakt zwischen Doktoranden und Betreuer werden damit bewusst zusätzlich gepflegt.
Während seiner Promotionszeit stellt jeder Doktorand sein Vorhaben mindestens einmal im großen Kreis vor. Häufig gibt es auch zwei Vorträge im Abstand von drei bis vier Semestern. Die Diskussionen beziehen sich zum einen auf methodische Probleme. Auf diese Weise erhalten nicht nur die Referenten, sondern auch die übrigen Doktoranden Hilfestellung bei der Einengung der Fragestellung, Quellenerschließung und -begrenzung, bei Fragen des Aufbaus bis hin zu Einzelpunkten der Exegese und Darstellungsweise. Das vergleichsweise große Leitungsgremium erweist sich hierbei als großer Vorteil. Niemals werden den Doktoranden Vorgaben auferlegt. Vielmehr geht es stets darum, verschiedene Möglichkeiten und Vorgehensweisen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen darzustellen und dabei die unterschiedlichen Perspektiven der Mitglieder des Leitungsgremiums fruchtbar zu machen. Zum anderen gibt es immer auch ein Gespräch zur Sache selbst. Dadurch erhalten die Tagungen der Graduiertenschule zugleich den Charakter von Lehrveranstaltungen für Fortgeschrittene. Insoweit möchte die Graduiertenschule „Recht als Wissenschaft“ ganz bewusst die rechtshistorische Bildung der Graduierten erhöhen und Neugier für neue Themen und Fragestellungen wecken.

Erfolgsquote

Die bisherige Erfolgsquote hat gezeigt, dass sich das Betreuungskonzept bewährt hat. Zahlreiche Doktoranden haben ihre Arbeiten mit überdurchschnittlicher Leistung abgeschlossen (Alumni), einige besonders herausragende Dissertationen wurden mit Preisen ausgezeichnet (Preisträger).