Pressemitteilung upm

Die Schatten der Vergangenheit

Workshop zur WWU in der NS-Zeit

Münster (upm), 07. Januar 2010

Die Rolle der Wissenschaft in der NS-Zeit zeigt die Ausstellung im Fürstenberghaus.
Die Rolle der Wissenschaft in der NS-Zeit zeigt die Ausstellung im Fürstenberghaus. Foto: WWU/Peter Grewer

Kontinuierlich schreitet die Arbeit der WWU-Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der Universität Münster in der Zeit des Nationalsozialismus und danach unter Leitung von Prof. Hans-Ulrich Thamer voran. Zwischenergebnisse zu den Fachbereichen Rechtswissenschaft, Biologie und Geowissenschaften werden am Montag, 11. Januar 2010. bei einem öffentlichen Workshop von 16-18 Uhr präsentiert. Er findet im Raum H18, Englisches Seminar, Johannisstr. 12-20, statt.

"Das nationalsozialistische Regime bildete zwar den Rahmen, aber die meisten Wissenschaftler wollten mitmachen. Sie haben die Möglichkeiten, die sich ihnen boten, ausgenutzt und sich damit selbst in den Dienst der Nationalsozialisten gestellt. Dieser Trend zur akademischen Selbstmobilisierung war ein nationales Phänomen. Münstersche Wissenschaftler bildeten da keine Ausnahme", sagt Prof. Dr. Isabel Heinemann, die die Ausstellung "Wissenschaft. Planung. Vertreibung", die zurzeit im Fürstenberg-Haus zu sehen ist, mitkonzipiert hat.

"Während des Nationalsozialismus war die münstersche Biologie eher unauffällig. Aber danach zeigten sich interessante Kontinuitäten", sagt Daniel Droste. An anderen Hochschulen seien die Bereiche Rassenkunde und Rassenlehre von Biologen bearbeitet worden, in Müster waren es die Medizinier, die alle Kompetenzen dafür beanspruchten. Aber nach dem Krieg wurden gleich fünf ehemalige Blockleiter des NSDAP in der Biologie als Mitarbeiter eingestellt. Auffällig ist, so Heinemann, vor allem die Verbindung zur Reichsuniversität Prag. Wer dort lehrte, zählte zu den nationalsozialistischen Hardlinern. Und von dort wurden nach 1945 besonders viele ehemalige Lehrkräfte nach Münster berufen.

Kathrin Baas untersucht die Rolle der gographischen Forschung. Hier steht vor allem der Umgang der Geographie mit der Lebensraum-Ideologie der Nationalsozialisten im Mittelpunkt. In Lehre und Forschung kam es zu Schwerpunktverschiebungen, die Raumforschung wurde von den Nationalsozialisten besonders gefördert. Ursprünglich war die Rücksiedlung der Stadtbevölkerung zurück aufs Land ein Thema, später explodierten die Planungen. Ab 1941/42 machten die Wissenschaftler den gedanklichen Schritt nach Ostmitteleuropa. "Sie taten einfach so, als seien diese Räume menschenleer und akzeptierten damit stillschweigend Vertreibung und Mord", erklärt Heinemann. Auch wenn es in Münster keine konkreten Beiträge zum "Generalplan Ost" gab, so stellte sich Prof. Dr. Hans Dörries als erster Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung und als Vertrauensmann der Reichsstelle für Raumforschung in den Dienst der Nationalsozialisten.

Auch die Rechtswissenschaftler haben sich mit den Nationalsozialisten arrangiert oder sie sehr bereitwillig unterstützt. "Prof. Friedrich Grimm ist sicherlich der münstersche Jurist mit der steilsten Karriere während des Nationalsozialismus", urteilt Sebastian Felz. Grimm saß für die NSDAP im Reichstag und war Prozessvertreter der Reichsregierung im Reichstagsbrandprozess oder dem Grünspanprozess. Ab Oktober 1940 gehörte Grimm zur deutschen Botschaft in Paris. Nach mehrjähriger Gefangenschaft arbeitete Grimm wieder als Rechtsanwalt für ehemalige hohe NS-Funktionäre. Prof. Dr. Hubert Naendrup, erster Rektor im "Dritten Reich" von 1933 bis 1935, initiierte auf der Tagung "Das Judentum in der Rechtswissenschaft" Anfang Oktober 1936 in Berlin ein Gelöbnis, das die Teilnehmer verpflichtete, "jüdische Autoren" möglichst nicht mehr zu zitieren, eine Bibliographie jüdischer Publizisten zu erstellen, Bücher in Bibliotheken und Seminaren zu separieren sowie weiterhin zu diesem Komplex zu forschen. Sein Nachfolger war Prof. Dr. Karl Gottfried Hugelmann. Er gab sich als großdeutscher Nationalsozialist, dessen rechtsgeschichtlichen Forschungen sich immer mehr zu rechtstheoretischen Legitimationen des "Dritten Reiches" wandelten.

Die drei Doktoranden werden ihre Zwischenergebnisse am 11. Januar ausführlich vorstellen. Interessierte sind herzlich willkommen zu dem offenen Workshop. Im Anschluss führt Heinemann ab 18 Uhr noch einmal durch die Ausstellung "Wissenschaft. Planung. Vertreibung", die noch bis zum 15. Januar im Fürstenberghaus zu sehen ist.

NS-Kommission