Pressemitteilung upm

Symbolfigur der Versöhnung

Prof. Dr. Stefan Radt hat Ehrendoktorwürde erhalten

Münster (upm), 14. Januar 2010

Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke, Prof. Dr. Stefan Radt, Prof. Dr. Annette Harder (Universität Groningen) und Dekan Prof. Dr. Christian Pietsch (von links nach rechts)
Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke, Prof. Dr. Stefan Radt, Prof. Dr. Annette Harder (Universität Groningen) und Dekan Prof. Dr. Christian Pietsch (von links nach rechts) Foto: WWU - Grewer

Geschätzter Wissenschaftler geehrt: Die Philosophische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) verlieh am Donnerstag, 14. Januar 2010, die Ehrendoktorwürde an den Klassischen Philologen Prof. Dr. Stefan Radt. Der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Christian Pietsch, überreichte die Ehrenpromotionsurkunde bei einem Festakt im münsterschen Schloss.

Prof. Radt, emeritierter Lehrstuhlinhaber der Rijksuniversiteit Groningen (Niederlande) habe sich als international renommierter Wissenschaftler besonders um die textkritische Edition und Kommentierung von Werken der antiken, griechischen Literatur verdient gemacht, heißt es in der Begründung der Ehrung. „Er hat Wesentliches zur Bewahrung und zum Verständnis der überlieferten Texte beigetragen und damit dem Grundanliegen einer Philologie Rechnung getragen wie kaum ein anderer derzeit lebender Klassischer Philologe deutscher Sprache", so Prof. Pietsch.

Über die Bedeutung Radts als Fachwissenschaftler hinaus sprachen auch andere Argumente für seine Ehrenpromotion. Durch sein Schicksal als deutscher Jude, der als Kind während des Zweiten Weltkrieges in den Niederlanden im Untergrund leben musste und sich dennoch mit Deutschland verbunden fühlt, ist Radt in der Nachkriegszeit unter Klassischen Philologen zu einer Symbolfigur der niederländisch-deutschen Versöhnung geworden.

„Trotz dieser historischen Erfahrungen hat Radt seine deutsche Herkunft nie verleugnet, blieb wissenschaftlich, räumlich (durch Forschungsaufenthalte) und kulturell mit Deutschland verbunden", so Prof. Pietsch. „Sehr wohl in der Lage, auch das eigene Schicksal differenziert zu beurteilen, bekennt er sich bis heute als ausgesprochener Liebhaber deutscher Kultur und speziell deutscher Literatur, pflegt die deutsche Sprache und publiziert auch ganz überwiegend in ihr." Mit Münster und der Westfälischen Wilhelms-Universität sei Radt zudem persönlich verbunden. So war Radt mehrfach an der WWU zu Besuch.

Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke, Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin, hielt die Laudatio. Er sagte: „Ein Dr. h.c. ist ja in universitären Angelegenheiten so etwas wie ein Oskar in der Hollywood-Filmwelt: Man kann ihn für ganz spezielle Leistungen verleihen oder im Hinblick auf die Lebensleistung, als einen Lebenswerk-Oskar." Im Falle von Stefan Radt gehe es um beides - um ein höchst imposantes Lebenswerk und um „eine ganz aktuelle beziehungsweise aktuell wirkende Großtat, die in Wirklichkeit auch schon die Frucht vieler Jahre ist" - die monumentale Edition von „Strabons Geographika", an der Radt arbeitet. Im Hinblick auf Radt`s Schicksal und seine Verbundenheit zur deutschen und niederländischen Kultur ergänzte Gehrke: „Darüber hinaus geht es noch um mehr, das über die Wissenschaft hinausweist, ins Leben selbst und ins Zusammenleben."

Informationen zum Lebenslauf

Der gebürtige Berliner Stefan Radt emigrierte 1937 als Kind mit seinen Eltern in die Niederlande, wo die jüdische Familie nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht erneut der nationalsozialistischen Verfolgung ausgesetzt war. 1943 gelang es der Familie, unterzutauchen und so der drohenden Deportation zu entgehen. Nach dem Krieg blieb Radt in den Niederlanden.

Nach einem Studium der Klassischen Philosophie an der Universität Amsterdam und Reisen nach Cambridge, Rom und Griechenland im Rahmen eines Auslandsstipendiums war Radt zunächst als Gymnasiallehrer tätig. 1958 promovierte er. Nach Mitarbeit am Lexikon des frühgriechischen Epos in Hamburg wurde er zum Dozenten für Klassische Philologie an der Universität Amsterdam ernannt. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1987 war er Professor für griechische Sprache und Literatur an der Universität Groningen.