Pressemitteilung upm

Operation am offenen Uni-Herz

Münster (upm), 19. Mai 2010

Auf rund 370 Millionen Euro beläuft sich der Jahresetat der Universität Münster - entsprechend groß ist die Verantwortung der Finanzbuchhaltung.
Auf rund 370 Millionen Euro beläuft sich der Jahresetat der Universität Münster - entsprechend groß ist die Verantwortung der Finanzbuchhaltung. Foto: WWU/ Peter Grewer
WWU-Finanzdezernent Matthias Schwarte
WWU-Finanzdezernent Matthias Schwarte Foto: WWU/Peter Grewer

Von Norbert Robers

Die Berufs-Welt, in der sich Christina Hölpert tagtäglich bewegt, ist eine sehr eigene, eine spezielle. Eine manchmal sogar spannende Welt, in der sich beispielsweise Anlage-Experten, Kreditoren und Debitoren tummeln, eine Welt voller Belege, Akten und Rechnungen, in der es ständig um zig Millionen geht. Es gibt Tage, an denen Christina Hölpert oder ihre Kollegin Jutta Kemming von morgens bis abends auf Knopfdruck einige Zehntausend Euro einnehmen oder ausgeben. Nichts Besonderes für die beiden Fachfrauen, reine Routine in der Finanzbuchhaltung der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, „in 5.2", wie man intern die Abteilung gerne bezeichnet. Buchhaltung? Na und? Reizvoll, interessant? Tatsächlich liegt eher die Frage auf der Hand: Was soll so besonders sein an einer so gewöhnlichen Abteilung, die für viele Zeitgenossen eher für Monotonie steht?

Das Gegenteil ist der Fall. Christina Hölpert fühlt sich schon seit Wochen wie im „Ausnahmezustand". Seit 1989 arbeitet sie an der WWU. Doch nichts ist mehr wie früher, in den vergangenen Jahren hat sich ihre Welt gleich mehrfach gedreht. „Das ist Belastung und Herausforderung zugleich", betont sie. So geht es den meisten ihrer 20 Kolleginnen und Kollegen, deren Abteilung mit Reginald Schramm an der Spitze derzeit einen außergewöhnlich komplexen Wandel innerhalb der Universität managen muss: die Umstellung von der kameralistischen zur kaufmännischen Buchführung. Wer sich allein auf Vorurteile beschränkt oder sein Nichtwissen mit deftiger Kritik zu kaschieren versucht, der wird jetzt denken: Das kann doch nicht so schwer sein - ein Formular löst halt ein anderes ab. Welch ein Irrtum! So wenig wie ein Fußballprofi in der Lage ist, Elfmeter oder Freistöße statt mit rechts ab morgen mit links zu verwandeln, so verzwickt und verworren verläuft der Wechsel hin zu einem neuen Buchhaltungssystem. „Wir müssen uns und alles neu sortieren - jeder Vorgang ist neu", unterstreichen Christina Hölpert und Jutta Kemming.

Und das nicht zum ersten Mal, die Buchhaltung ist seit Jahren in Dauer-Bewegung. Ein Beispiel: Bis 1994 gab es eine „titelscharfe Zuweisung der Haushaltmittel" - mit der sogenannten Finanzautonomie im Jahr 1995 wurden diese Titel zu Gruppen zusammengefasst - seit 2006 gibt es wiederum einen Globalhaushalt mit drei Titeln für den „globalen Zuschuss", davon einem Titel für den laufenden Betrieb und deren zwei für Investitionen. Anders als früher dürfen heute alle Ausgaben aus den Zuschüssen des Landes finanziert werden, dafür dürfen Investitionen nicht den Gewinn mindern. Früher galt das Prinzip der Jährlichkeit, heute ist die Übertragung aller Geld-Reste ins nächste Jahr möglich - mit der entsprechenden Problematik der An- und Verrechnung. Schöne alte Finanz-Welt - aus und vorbei. „Wir fangen praktisch von vorne an", unterstreichen Beate Wiederhold und Gisbert Bertels, die beide in der Haushalts-Abteilung „mitleiden".

Was aber auch reichlich angenehme Seiten und Vorteile hat. Endlich gibt es einen verständlichen Überblick über das Anlagevermögen, die Kostenkontrolle ist transparent und übersichtlich. Zudem wird die jährlich zu erstellende Bilanz von einem Wirtschaftsprüfer testiert und hat damit einen ganz anderen Wert als das zweiseitige Dokument, auf dem seinerzeit diverse Ein- und Ausnahmen-Zahlenkolonnen mehr oder weniger zusammenhangslos aufgelistet waren. „Das ist sehr angenehm", unterstreicht WWU-Kanzler Dr. Stefan Schwartze. „Dass wir nur noch eine Datenbank haben, ist ein Segen", ergänzt Gisbert Bertels.

Die Universität Münster vollzieht damit als eine der ersten Hochschulen in Deutschland einen Schritt, den die Europäische Union mit ihren zahllosen Förderrichtlinien vorgibt und der gleichzeitig der Tatsache Rechnung trägt, dass Universitäten nicht nur Denkschmieden, sondern auch Wirtschaftsunternehmen sind. Rund 370 Millionen Euro setzt die WWU pro Jahr um, an rund 7500 Mitarbeiter werden monatlich gut 15 Millionen Euro an Gehältern überwiesen. Unzählige Kolloquien, Seminare, Dienstreisen und Drittmittel-Überweisungen müssen von Januar bis Dezember verbucht und abgerechnet werden: „In 5.2" gehen zwischen 800 und 1000 derartiger Belege ein - pro Tag.

Die zwei Millionen Euro teure Umstellung bei laufendem Betrieb kam einer Operation am offenen Herzen gleich: Die Mitarbeiter wurden zwar seit 2007 trainiert und geschult - aber zwischen Theorie und Praxis lagen auch in diesem Fall Welten. „Der Sprung ins kalte Wasser der kaufmännischen Buchführung hat einige Komplikationen hervorgerufen", weiß Haushaltsdezernent Matthias Schwarte. Was man beispielsweise daran ablesen kann, dass sich vor den Buchhaltern zeitweise bis zu 4000 unbearbeitete Rechnungen stapelten. Nicht etwa, weil Christina Hölpert oder die eigens dafür eingestellten Buchhalterinnen wie Jutta Kemming nicht mehr weiter wussten, sondern weil es der eine oder Antragsteller beim Ausfüllen der Formulare nicht immer so genau nahm. Zwischenzeitlich war der Rechnungs-Stau auf rund 1800 abgearbeitet. Doch schon ein oder zwei krankheitsbedingte „Ausfälle" lassen den Papierwust wieder rasant anschwellen. Matthias Schwarte ist dennoch sicher: „Wir bekommen die Probleme nach und nach in den Griff." Davon war Christina Hölpert anfangs nicht unbedingt überzeugt. Mittlerweile aber sehr wohl: „Wir sehen endlich auch Erfolge."