Pressemitteilung upm

Medienrevolution im Mittelalter

Forschungsergebnisse in multimedialer Form präsentiert

Münster (upm), 05. Januar 2004

[Mittelalter]
Schriftlichkeit im Mitttelalter
Foto: SFB 231   

Das Bild vom dunklen, fremden Mittelalter hält sich hartnäckig - und ist doch falsch. Von der Farbigkeit dieser Epoche kann man sich jetzt auf einer CD-ROM überzeugen, die der Schrift im Mittelalter, ihren Funktionen und ihrem Wandel gewidmet ist. Die CD gibt Einblick in die Arbeit des Sonderforschungsbereichs "Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter", den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) von 1986 bis 1999 an der Universität Münster gefördert hat.

Die Forschungsergebnisse werden in Ergänzung zum üblichen Abschlussbericht multimedial präsentiert, da sich diese neue Publikationsform für die Darstellung der Ergebnisse sehr gut eignet und mit ihr sowohl Fachwissenschaftler als auch die interessierte Öffentlichkeit angesprochen werden sollen.

Während des 11./12. Jahrhunderts fand eine erste europäische Medienrevolution statt. Seit dieser Zeit nahm die Verwendung von Schrift zu. Unterschiedliche Textgattungen, etwa Notariatsurkunden, Schulbücher oder Einblattdrucke, bekamen neue, wichtige Aufgaben in der alltäglichen Kommunikation. Die Ursachen und Folgen dieser Veränderungen werden auf der CD-ROM an ausgewählten Beispielen erörtert. In elf Multimediabeiträgen aus den Fachgebieten Theologie, Philologie, Geschichtswissenschaften, Kunstgeschichte und Germanistik können sich die Nutzer über Themen wie Buchmalerei, Weltchroniken oder die ersten gedruckten Einladungen zu Schützenfesten informieren.

Das Besondere an den mittelalterlichen Texten, die man zunächst durch Abschreiben vervielfältigte und verbreitete, ist, dass sie beim Kopieren verändert und neuen Anforderungen und Gegebenheiten angepasst wurden. Die Vorstellung eines "Originals" im Sinne eines autorisierten Urtextes, der möglichst unverändert bewahrt werden muss, war dem mittelalterlichen Schriftgebrauch weitgehend fremd. Der Titel der CD-ROM "Schrift im Wandel - Wandel durch Schrift. Die Entwicklung der Schriftlichkeit im Mittelalter" spielt einerseits auf diese Kontextabhängigkeit an und andererseits auf die durch die Schrift ausgelösten Entwicklungen. Die multimediale Aufbereitung erlaubt es, die Veränderungen in den vorgestellten Texten nicht nur zu beschreiben, sondern den Prozess nachvollziehbar zu machen.

Die Autoren, überwiegend Nachwuchswissenschaftler aus dem ehemaligen Sonderforschungsbereich, standen bei der Konzeption und Umsetzung der Beiträge vor einer ungewohnten Herausforderung. Statt ihre Thesen in Fließtexten zu entwickeln, mussten sie Lesetexte mit Bildern, Sprechtexten und animierten Bildsequenzen verknüpfen. Diese Art der Argumentationsweise bei der Darstellung der Arbeitsergebnisse macht den besonderen Reiz der Veröffentlichung aus. Die Herausgeber erwarten von ihr nicht nur eine Veränderung der Rezeption historischer Forschung, sie rechnen auch mit Rückwirkungen auf die Forschung selbst. Denn wer sich seine Ergebnisse im Zuge der Erstellung einer Multimediapräsentation noch einmal vor Augen führe, entdecke dabei nicht selten vorher noch nicht wahrgenommene Beziehungen und Aspekte der eigenen Arbeit.

Die multimedialen Beiträge werden im Übrigen durch eine Reihe wichtiger Aufsätze des Sonderforschungsbereichs und durch eine Gesamtbibliographie aller in seinem Rahmen entstandenen Arbeiten ergänzt. Die CD-ROM entstand unter anderem mit finanzieller Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Münster und erscheint in einer deutschen und einer englischen Fassung. Sie richtet sich an die Fachwelt wie an die Laienöffentlichkeit und eignet sich für das Eigenstudium ebenso wie für den Einsatz in der universitären Lehre oder im Schulunterricht. Die Herausgeber hoffen, damit ein neues Publikum zu erreichen und bei ihm Interesse an der Mittelalterforschung zu wecken.

"Schrift im Wandel - Wandel durch Schrift. Die Entwicklung der Schriftlichkeit im Mittelalter", herausgegeben von Franz-Josef Arlinghaus, Marcus Ostermann, Oliver Plessow und Gudrun Tscherpel, Utrecht Studies in Medieval Literacy, Brepols Publishers NV, Turnhout 2003, Preis 45 EURO, ISBN: 2-503-51167-8.

Weitere Informationen erteilen Dr. Franz-Josef Arlinghaus, Telefon 0561/9203144, E-Mail: franz.arlinghaus@uni-kassel.de, und Prof. Dr. Christel Meier-Staubach, Institut für Mittellateinische Philologie der Universität Münster, Telefon 0251/41469-11, E-Mail: mlat@uni-muenster.de.

Sonderforschungsbereich 231