Pressemitteilung upm

Philosophischer Kopf der Politik

Ehrenpromotion für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse

Münster (upm), 26. Februar 2004

[Thierse]
Neuer Ehrendoktor der Universität Münster: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
Foto: Deutscher Bundestag   

Für seine großen Verdienste um die Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland erhielt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am Donnerstag, 26. Februar 2004, in Münster die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität. Gelobt wurde er dabei als "philosophischer Kopf der deutschen Politik".

Besonders im Osten Deutschlands habe sich Wolfgang Thierse als Anwalt der dort lebenden Menschen erwiesen, begründete die Fakultät ihre Entscheidung, den SPD-Politiker zum Ehrendoktor zu ernennen. Dabei habe er nicht auf spektakuläre Effekte und mediale Inszenierungen gesetzt, sondern auf die Überzeugungskraft des Wortes vertraut. "Dieses Engagement hat auch die wissenschaftliche Diskussion an den Hochschulen und die pädagogische Arbeit innerhalb der Schulen positiv beeinflusst", betonte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Tomas Tomasek, bevor er die lateinisch gefasste Urkunde zur Ehrenpromotion überreichte.

Die Präsidentin des Goethe-Instituts, Prof. Dr. Jutta Limbach, bezeichnete Thierse in ihrer Laudatio als einen der wenigen Intellektuellen und philosophischen Köpfe in der bundesrepublikanischen Politik, der vor dem Hintergrund seines historischen Wissens die Gegenwart zu analysieren vermöge. Dabei habe er sich auch im zweithöchsten Amt im Staat eine kritische Distanz zur politischen Macht bewahrt. Wie der Kategorie der Macht begegne der SPD-Politiker auch dem Begriff des "demokratischen Sozialismus" mit einer Mischung von Zweifelsinn und klarer Programmatik. In Wort und Tat mache Wolfgang Thierse anschaulich, wie eine parlamentarische Demokratie funktioniere.

In seiner Festansprache ging der Ehrendoktor Wolfgang Thierse auf die "Krise der Politik und Bewährung der Demokratie" ein. Zwar müsse man sich um die Festigkeit unserer Demokratie keine Sorgen machen, "was aber nicht heißen soll, dass wir sie auf Dauer sicher hätten". Nötig sei ein lebendiges Bewusstsein in der Bevölkerung "von der Kostbarkeit, weil Verletzlichkeit der Demokratie" als einziger Staatsform, die Freiheit dauerhaft ermögliche.

Die Bundesrepublik Deutschland erlebe zur Zeit einen "schmerzhaften Paradigmenwechsel": Erstmals gehe es nicht mehr darum, Zuwächse zu verteilen. Es werde viel Überzeugungsarbeit kosten, um klar zu machen, dass die reformpolitischen Einschnitte und die Neuverteilung von Lasten gerade dem Ziel dienten, den Sozialstaat zu bewahren und nicht etwa abzubauen. Einen Teil dieser Überzeugungsarbeit, so Bundestagspräsident Thierse, könne auch die Erfahrung bewirken, "dass die prophezeiten sozialen Katastrophen ausbleiben und auch die Praxisgebühr kein neues Armutsproblem schaffen wird".