Pressemitteilung upm

Wenn das Immunsystem verrückt spielt

Rheumatische Erkrankungen im Kindesalter werden oft nicht auf Anhieb richtig diagnostiziert

Münster (upm), 06. September 2004

[Rheuma]
Dr. Michael Frosch prüft, ob auch das Ellenbogengelenk seiner jungen Patientin von der rheumatischen Erkrankung betroffen ist.
Foto: UKM   

"Es fing damit an, dass ich auf dem Weg zur Schule immer öfter Pause machen musste und das Treppensteigen mir sehr schwer fiel", erzählt Klaudia. Als sich zusätzlich ein Ausschlag auf ihrem Gesicht zeigte, ging Jolanta K. mit ihrer damals achtjährigen Tochter zum Hautarzt. Doch weder Haut- noch Kinderarzt konnten feststellen, was Klaudia hatte. Erst eine weitere Untersuchung im Universitätsklinikum Münster (UKM) brachte Klarheit: Das Mädchen leidet an einer entzündlichen Muskelkrankheit.

Dr. Michael Frosch, Oberarzt in der Allgemeinen Pädiatrie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums, behandelt seitdem die mittlerweile 14-Jährige aus Nottuln. Der Spezialist für rheumatische Erkrankungen im Kindesalter leitet zugleich das Sozialpädiatrische Zentrum der Kinderklinik und ist Mitglied der Arbeitsgruppe Pädiatrische Rheumatologie und Immunologie am UKM. "Die häufigste chronische rheumatische Erkrankung bei Kindern ist die juvenile idiopathische Arthritis. Dabei handelt es sich um eine chronische Entzündung der Gelenkhaut", erklärt Dr. Frosch. "Das Immunsystem attackiert körpereigene Zellen. Die Ursachen hierfür sind noch unklar."

Von einer chronischen Arthritis im Kindesalter spricht man nach Angaben Froschs dann, wenn die Beschwerden schon seit mindestens sechs Wochen andauern und der Patient jünger als 16 Jahre ist. In Deutschland sind etwa 4.500 Kinder und Jugendliche betroffen. Etwa 250 von ihnen werden - größtenteils ambulant - in der Kinderklinik des UKM betreut.

Eines der Hauptprobleme liegt darin, rheumatische Erkrankungen bei jungen Patienten richtig und möglichst früh zu diagnostizieren, wie Klaudias Fall zeigt. Bei ihr kam noch die Schwierigkeit hinzu, dass zu Beginn die Gelenke gar nicht betroffen waren, sondern im Rahmen einer rheumatischen Systemerkrankung nur Muskeln und Haut. Ebenso können bei der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis auch innere Organe beteiligt sein. Außerdem treten manchmal Fieberschübe auf. Lebensbedrohliche Verläufe sind möglich. "Die systemische Verlaufsform der Arthritis bei Kindern ist ein Schwerpunkt am Uniklinikum. Unser Vorteil ist, dass wir weitere relevante Fachdisziplinen vor Ort in die Diagnose und Überwachung einbeziehen können", betont Frosch. "In der medikamentösen Behandlung werden auch die Erfahrungen aus der Transplantationsmedizin und der Onkologie genutzt." Je nach Art und Schwere der Erkrankung werden neben Cortison und Langzeit-Antirheumatika auch Immunsuppressiva und Zytostatika eingesetzt. Wegen der Nebenwirkungen muss die Behandlung genauestens überwacht werden. Relativ harmlos scheint zunächst eine weitere mögliche Verlaufsform der juvenilen Arthritis, die Oligoarthritis, zu sein. Dabei bereitet manchmal nur ein einziges Gelenk Probleme, das meist keine deutlich sichtbare Schwellung aufweist. Unter Oligoarthritis leiden meistens Mädchen, was auf genetische Faktoren als einen möglichen Auslöser für die Krankheit hinweist. Die Erkrankung beginnt oft schon im Kleinkindalter zwischen zwei und vier Jahren. In vielen Fällen kommt es dabei auch zu einer Augenentzündung (Uveitis). "Früher war dies die häufigste Ursache für erworbene Blindheit im Kindesalter", erläutert der Kinderrheumatologe. Etwa die Hälfte der jungen Patienten mit chronischer Arthritis wird wieder ganz gesund. Die anderen 50 Prozent bleiben krank oder bekommen nach symptomfreien Phasen neue Krankheitsschübe. "Eine frühzeitige richtige Diagnose und Therapie helfen, bleibende Schäden an Gelenken und Organen zu vermeiden", so Dr. Frosch. "Daher sind Fortbildungen zu diesem Thema für Kinderärzte, Orthopäden, Internisten und Augenärzte, wie auch wir sie am Klinikum des Öfteren durchführen, besonders wichtig."

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin