Pressemitteilung upm

Prävention muss lukrativer werden

Erste Ergebnisse münsterscher Studie zur Sekundärprävention von Herzinfarkt vorgestellt

Münster (upm), 05. November 2004

In Deutschland leben derzeit knapp 1,5 Millionen Patienten, die einen Herzinfarkt überlebt, haben. Das entspricht rund zwei Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung. Alleine in Münster werden jährlich zirka 2.500 Patienten mit Herzinfarkt beziehungsweise koronarer Herzerkrankung im Krankenhaus behandelt. Die Betroffenen haben ein hohes Risiko, einen erneuten Herzinfarkt zu erleiden, bei dem die Sterblichkeit statistisch doppelt so hoch ist wie beim ersten Mal. Vor diesem Hintergrund kommt der Vorbeugung eines erneuten Herzinfarktes, der sogenannten Sekundärprävention, sowohl für den einzelnen Patienten als auch auf Bevölkerungsebene größte Bedeutung zu.

Die Risikofaktoren Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Übergewicht, Bewegungsmangel und nicht zuletzt die Zuckerkrankheit, die sich durch den Lebensstil und Medikamente beeinflussen lassen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der koronaren Herzkrankheit. Eine Verminderung dieser Faktoren senkt das Risiko eines erneuten Herzinfarktes deutlich. Zwei große europäische Studien aus den Jahren 1995 und 2000, an denen Münster als deutsches Studienzentrum beteiligt war, haben jedoch gezeigt, dass sehr viele Patienten im Münsterland auch nach einem Herzinfarkt nach wie vor mehrere Risikofaktoren aufweisen. Beispielsweise hatten zwei Drittel der Patienten erhöhte Cholesterinwerte und über die Hälfte einen erhöhten Blutdruck. Warum also fällt es Ärzten und Patienten so schwer, das Risikoprofil positiv zu verändern? Erste Ergebnisse einer Studie, die dieser Frage nachgegangen ist, wurden jetzt bei einem Symposium des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Münster (UKM) vorgestellt.

Im Rahmen der COSIMA-Studie (Coronary Secondary Prevention in the Münster Area) haben Institutsdirektor Prof. Dr. Ulrich Keil und sein Team knapp 700 niedergelassene Allgemeinmediziner und Internisten sowie 1000 Patienten in der Region Münster eingehend zu Wissen, Einstellungen und Behandlungspraxis hinsichtlich der Sekundärprävention der koronaren Herzerkrankung befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass zur gegenwärtigen Situation eine Vielzahl von Faktoren beitragen. Seitens der Ärzte zeigte sich, dass aktuelle Behandlungsempfehlungen von nationalen und internationalen Fachgesellschaften, so genannte Leitlinien, teilweise unbekannt sind beziehungsweise nicht vollständig umgesetzt werden. Ein Teil der Ärzte gab beispielsweise an, Blutdruck und Cholesterin erst ab höheren Werten als in den Leitlinien empfohlen zu behandeln. Andererseits zeigten die meisten Mediziner insgesamt eine positive Haltung gegenüber Leitlinien und waren überzeugt, dass diese die Versorgung ihrer Patienten verbessern.

Die fehlende finanzielle Honorierung, Zeitmangel sowie eine unzureichende Compliance der Patienten, dass heißt eine mangelnde Berücksichtigung ärztlicher Empfehlungen, wurden von den Ärzten als wichtigste Hindernisse bei der Berücksichtigung der aktuellen Behandlungsleitlinien genannt. Bei durchschnittlich weniger als sechs Minuten pro Patient bleibt häufig zu wenig Zeit für die ausführliche, wiederholte und gezielte Beratung zu Risikofaktoren. Kurze und prägnant formulierten Leitlinien, die sich auch in kurzer Zeit erfassen lassen, sowie eine bessere Honorierung präventiver Maßnahmen, beispielsweise auch finanzielle Anreize zur richtigen Einstellung von Risikofaktoren gemäß den Leitlinien, könnten nach Überzeugung Keils die Versorgung der Herzinfarktpatienten verbessern.

Die Patienten auf der anderen Seite zeigten sich gut informiert über ihre Krankheit und Risikofaktoren. Wie die Studie gezeigt hat, ist das Gros der Patienten mit der ärztlichen Behandlung zufrieden. Knapp drei Viertel der befragten Patienten gab an, keine Schwierigkeiten bei der Einhaltung ärztlicher Empfehlungen und der Einnahme von Medikamenten zu haben. Die Patienten berichteten also, anders als die Ärzte, über eine hohe Compliance. Andererseits war aber knapp die Hälfte der Patienten der Ansicht, dass es nicht schlimm ist, gelegentlich seine Medikamente nicht einzunehmen. Bis zu einem Viertel der Patienten mit bestimmten Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht war zudem nicht bereit, Lebensgewohnheiten zu ändern und damit das Risikoprofil positiv zu beeinflussen. Bei differenzierterer Analyse der Patientendaten ergab sich somit ein weniger positives Bild hinsichtlich der Compliance.

"Nach einem Herzinfarkt sollten Ärzte und Patienten alles tun, um einem zweiten Infarkt vorzubeugen", betont Studienleiter Keil. "Nur gemeinsam können Ärzte und Patienten die gegenwärtig wenig befriedigende Situation der Sekundärprävention verbessern", so der Mediziner. "Veränderungen unseres Gesundheitssystems, die der Prävention einen höheren Stellenwert einräumen und Arzt und Patient damit mehr Zeit und Raum zur Risikomodifikation geben, wären ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung."

Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin