Pressemitteilung upm

So lange wie möglich im Mutterleib

Neuartiges CTG an der Frauenklinik des UKM erlaubt präzisere Beurteilung der kindlichen Herztätigkeit

Münster (upm), 25. Februar 2005

[CTG]
PD Dr. Walter Klockenbusch und Dr. Pia Wülfing demonstrieren das neue CTG.
Foto: UKM   

Obwohl heute selbst winzigste Frühchen, die früher keinerlei Überlebenschance gehabt hätten, dank der modernen Kinderintensivmedizin gerettet werden können, gilt in der Geburtshilfe nach wie vor die Devise: Je länger im Mutterleib, desto mehr Sicherheit für das Ungeborene! Gleichwohl gibt es gerade bei Risikoschwangerschaften immer wieder Situationen, in denen der behandelnde Frauenarzt innerhalb kürzester Zeit entscheiden muss, ob es im Hinblick auf das Überleben des Kindes nicht besser ist, es durch Kaiserschnitt vorzeitig zu holen. Eine wichtige Hilfe ist dabei traditionell das CTG (Kardiotokogramm), mit dem die kindlichen Herztöne aufgezeichnet werden. Auf diesem Gebiet hat es mittlerweile eine deutliche Verbesserung gegeben, die dem Arzt die Entscheidung für oder gegen eine frühzeitige Entbindung deutlich erleichtert hat. Als eine von bislang erst wenigen Kliniken in NRW verfügt die Frauenklinik des Universitätsklinikums Münster (UKM) unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Kiesel über ein solches so genanntes "Oxford-CTG", das die aufgezeichneten Herztöne elektronisch mit über 100.000 gespeicherten CTGs vergleicht und dadurch eine ungleich präzisere Analyse der Daten ermöglicht.

"Die Entscheidung, das Kind noch im Mutterleib zu lassen oder es durch einen Kaiserschnitt vorzeitig zu holen, gleicht oft einem Drahtseilakt", betont Privatdozent Dr. Walter Klockenbusch. Wie der verantwortlicher Oberarzt für die Geburtshilfe an der münsterschen Uni-Frauenklinik erläutert, überleben heute zwar viele deutlich unter einem Kilo leichte Frühchen. Aufgrund der Unreife ihrer Lungen und der möglichen Entwicklung schwerer neurologischer behinderungen bestehe aber ein erhebliches Risiko. Insofern sind die Geburtshelfer immer bestrebt, die Schwangerschaft so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Mit der Einführung des CTG vor zirka 30 Jahren hat sich laut Klockenbusch auf der einen Seite die Sicherheit für das Kind erhöht, da auffällige Veränderungen des Herzschlags frühzeitig erkannt und durch einen rechtzeitigen Kaiserschnitt ein Tod im Mutterleib verhindert werden kann. Auf der anderen Seite wird eine auffällige CTG-Kurve im klinischen Alltag auch leicht überbewertet und im guten Glauben, das Beste für das Kind zu tun, vorschnell ein Kaiserschnitt durchgeführt.

Die neue, an der Universität Oxford entwickelte CTG-Generation macht jetzt auch kleinste Veränderungen in der kindlichen Herztätigkeit sichtbar, die auf den von den konventionellen Geräten erzeugten Papierstreifen gar nicht erkennbar waren. So erfassen die computergestützten Oxford-Systeme beispielsweise wichtige Parameter wie die so genannte Kurzzeitvariabilität, das heißt die Zeit zwischen den einzelnen Herztönen. Bleibt die Zeit von Herzschlag zu Herzschlag relativ konstant, ist dies eher ein schlechtes Zeichen. Für ein gesundes frühkindliches Herz spricht es vielmehr, wenn die Bandbreite dieser Intervalle möglichst groß ist, betont Dr. Johannes Steinhard, Oberarzt der Frauenklinik des UKM. Das Besondere an dem Gerät ist neben der differenzierteren Darstellung kindlicher Herzparameter auch eine elektronische Analyse anhand einer umfangreichen Datenbank. Automatisch wird das jeweilige CTG mit über 100.000 gespeicherten CTGs aus anderen Schwangerschaften verglichen und kritische Abweichungen oder Besonderheiten angezeigt.

Allerdings ist auch das Oxford-CTG nach wie vor nur eine, allerdings eine besonders aussagekräftige Methode, mögliche kindliche Gefahren bei Risikoschwangerschaften rechtzeitig zu erkennen. Zur genauen Abklärung werden aber in der Regel weitere Untersuchungen, wie vor allem die so genannte Dopplersonographie zum Nachweis des Blutflusses, hinzugezogen. Und nach wie kommt es freilich weiterhin auf Erfahrung und Expertise der Geburtshelfer an. Aber die Fortschritte, die das Oxford-CTG gebracht hat, sind laut Klockenbusch und Steinhard unverkennbar: In den anderthalb Jahren, in denen die Frauenklinik des UKM zwei solcher Geräte im klinischen Alltag nutzt , ist die Zahl der aufgrund auffälliger CTGs durchgeführter Kaiserschnitte bereits deutlich zurückgegangen. Und damit auch das Risiko, dass Kinder zu einem zu frühen Zeitpunkt das Licht der Welt erblicken und womöglich zeitlebens mit Behinderungen zu kämpfen haben.

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