Pressemitteilung upm

Bücher auf dem Behandlungstisch

"Reine Werkbank" in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster

Münster (upm), 07. März 2005

[Werkbank]
Werkbank zur Bearbeitung von Büchern in der Universitäts- und Landesbibliothek
Foto: Becker   

Seit Anfang März verfügt die Buchbinderwerkstatt der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB) über eine "Reine Werkbank". Dank spezieller Absaugeinrichtungen und Filter zur Luftreinhaltung wird durch sie eine gefahrlose und umweltgerechte Behandlung schadhafter Bücher erleichtert. Mit dieser Maßnahme zieht die Universität die notwendigen Konsequenzen aus der in den letzten Jahren zunehmend strengeren Rechts- und Verordnungspraxis im Bereich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes.

"Schmutz und Staub sind nicht nur eine lästige und unschöne Begleiterscheinung der Buchlagerung, sondern sie bilden auch einen idealen Nährboden für Schimmelpilze und Schädlingsbefall", betont Reinhard Feldmann, Leiter der Abteilung 'Historische Bestände in Westfalen' bei der ULB Münster. Das schaffe, so der Fachmann, Probleme bei der Restaurierung gerade älterer und beschädigter Bücher. Neben dem Schaden am Buch gerät hier auch die Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und letztlich auch die der Benutzerinnen und Benutzer in den Blick. Vor jeder Bearbeitung müssen daher Maßnahmen zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken getroffen werden. Alle Bücher werden auf mikrobakteriellen Befall hin überprüft und gereinigt.

Dank der "Reinen Werkbank" kann mittels eines gezielten Abluftsystems die durch das Abbürsten, Abwischen oder Abschaben des Befalls kontaminierte Luft entsorgt werden. Gesetzliche Grundlagen für diese Investition sind die "Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" (Biostoffverordnung) von 1999 und das "Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit" (Arbeitsschutzgesetz) von 1996.

Abgesehen vom Arbeits- und Gesundheitsschutz dient die "Reine Werkbank" als Hilfsmittel bei der Bearbeitung staubbelasteten Schriftguts und dem professionellen Umgang mit Chemikalien. "Die neuen Einrichtungen helfen uns sehr bei unserer Arbeit der Restaurierung und Erhaltung historisch bedeutsamer Buchbestände", so Feldmann, der bei der Restaurierung alter Bücher Bibliotheken in ganz Westfalen mit Rat und Tat zur Seite steht. Die Universitäts- und Landesbibliothek Münster mit ihrer klassischen Buchbinderwerkstatt und einer hauseigenen Restaurierungswerkstatt bildet das Zentrum für die Bearbeitung der älteren, wertvollen und schützenswerten Buchbestände im Raum Westfalen. Sie arbeitet für die Bestände der ULB, die Institute der Universität sowie die historisch wertvollen Sammlungen in Westfalen. Hier werden konservatorische Maßnahmen durchgeführt, Mitarbeiter von "auswärts" beraten, Schutzschuber angefertigt sowie Teil- und Vollrestaurierungen beschädigter Bücher vorgenommen.

Mit dem Bibliotheksbrand in Weimar im letzten Jahr ist auch die Arbeit der Buchrestauratoren stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Brandschäden wie in Weimar sind schrecklich, aber letztlich nur ein kleiner Teil der Probleme, mit denen sich Buchrestauratoren herumschlagen müssen. Der Alltag der Fachleute ist weitaus weniger spektakulär und dreht sich vornehmlich um den schleichenden Verfall wertvoller Bestände, die in Regalen und Dachböden verstauben und verschimmeln oder sich durch schlechte Papierqualität zersetzen. "Bestandserhaltung ist in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Themen des internationalen Bibliothekswesens geworden", konstatierte kürzlich der ehemalige Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin, Dr. Antonius Jammers. Zur Bestandserhaltung gehören alle Maßnahmen zum Schutz der Bibliothekaren anvertrauten Bücher und sonstigen Medien, die auf Dauer als erhaltungswürdig erachtet worden sind.

Die verschiedenen Problemfelder der Bestandserhaltung machen das Arbeitsfeld der Fachleute vielgestaltig: Neben der Einzelrestaurierung kümmert man sich vor allem um die Planung und Organisation, die Massenentsäuerung, die passive Konservierung, Fundraising, Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit für Bestandserhaltungsfragen, das Papierspaltverfahren, die Notfallvorsorge und die konservatorischen Rahmenbedingungen bei Ausstellungen sowie die Verfilmung und Digitalisierung der älteren, wertvollen, schützenswerten und vom Papierzerfall bedrohten Bestände.

Bei aller Freude über die neue "Reine Werkbank" sieht Reinhard Feldmann von der ULB Münster aber keinen Grund zur Entwarnung. Nicht immer können wertvolle Kulturschätze vollständig gerettet werden. Schmutz- und Schimmelbefall sind meist auf unsachgemäße Lagerung und unzureichende Klimatisierung zurückzuführen. "Dabei muss man auch an die Ursachen heran, an die Sanierung der Gebäude, und nicht nur an die Restaurierung der Bestände", fordert der Fachmann.

Weitere Informationen: Reinhard Feldmann, Telefon 0251/83-24081, E-Mail: feldmre@uni-muenster.de. Weitere Literatur und Links im von der ULB Münster initiierten und gestalteten nationalen Internetportal: http://www.forum-bestandserhaltung.de. Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut (TRBA 240) URL: hhtp.//www.baua.de/prax/abas/trba240.pdf.).

Universitäts- und Landesbibliothek Münster