Pressemitteilung upm

Ein Heiliger für alle

Ausstellung über Sankt Ludgerus in der Universitätsbibliothek

Münster (upm), 08. März 2005

[Ludgerus]
Ausstellung in der ULB: Ludgerus - Heiliger und Bischof im Spiegel der Nachwelt
Foto: Bistum Münster   

Eine Ausstellung, die dem Nachleben des heiligen Ludgerus gewidmet ist, zeigt die Universitäts- und Landesbibliothek Münster vom 10. März bis 25. Mai 2005 aus Anlass des 1200jährigen Bestehens des Bistums Münster. Das Thema der Ausstellung kreist um die Frage, wie sich das Bild des Bistumsgründers und ersten Bischofs von Münster im Bewusstsein der Gläubigen, des Klerus und der Bischöfe im Lauf der Jahrhunderte nach seinem Tod im Jahre 809 verändert hat.

Die Liudger-Verehrung war immer ein Kind der jeweiligen Zeitumstände und ihrer frommen Bedürfnisse. In ihr spiegelt sich die jeweilige Situation der Kirche und der katholischen Lebensweise. Ausgehend von der Tatsache, dass Verehrung und liturgischer Kult eines Heiligen von seiner Begräbnisstätte ausgeht, präsentiert die Ausstellung im Pavillon der ULB am Krummen Timpen in Münster zunächst Bilder seiner Grablegung in Essen-Werden, vermittelt danach einen Blick auf Zeugnisse der Ludgerus-Verehrung in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Liturgie des Bistums Münster und in der Volksfrömmigkeit und dokumentiert das Ludgerus-Bild des Humanismus und der Täuferzeit in Münster.

Das Tridentinische Konzil (1545-1563) hatte ein neues Leitbild für das Bischofsamt in der katholischen Kirche entworfen, wonach sich ein Bischof durch Autorität, Führungsstärke und hohen persönlichen Einsatz auszeichnen und die heilswirkende Rolle der katholischen Kirche deutlich machen sollte. Dieses neue Bischofsbild im katholischen Konfessionsstaat ließ auch Ludgerus in einem neuen Licht erscheinen: Er musste als ein verehrungswürdiger und ehrfurchtgebietender Bischof, als Schutzheiligen gegen den Protestantismus und als Identifikationsfigur für das katholisches Staatswesen dargestellt werden, ein Bild, das sich in der Gleichsetzung des missionarischen Wirkens Ludgers mit den gegenreformatorischen Maßnahmen der Fürstbischöfe des 17. Jahrhunderts widerspiegelte, das aber keineswegs auf eine Verehrung durch das Volk gründete.

Die Ausstellung zeigt Liudger aber nicht nur als "Heiliger für wenige", sondern auch als "Heiliger für alle". Die Bischöfe besitzen seit der Säkularisation des 19. Jahrhundert keine weltliche Macht mehr. Der König von Preußen hatte die Fürstbischöfe von Münster als Landesherrn abgelöst. Der Bischof als erster kirchlicher Würdenträger bedurfte einer neuen, religiösen Legitimität. Auf der anderen Seite konnte jeder Gläubige sicher sein, dass sein Bischof nach dem Vorbild des heiligen Ludgerus alles daran setzte, für das Heil aller zuständig zu sein, gegebenenfalls auch gegen den Staat, gegen das aufkommende Neuheidentum und gegen die ungeliebten Segnungen der Moderne. In diesem Wandlungsprozess rankte sich vieles um den heiligen Ludgerus. In frommen Schriften, bildlichen Darstellungen und Predigten, in Gebeten und Kirchenliedern, in neuen religiösen Vereinen (Schützenvereinen) und bei Wallfahrten wurde seine Figur zum Leitbild einer neuen Volksfrömmigkeit und Zusammengehörigkeit von Laien, Klerus und Bischof.

In der Abwehrhaltung der katholischen Kirche gegen den preußischen Staat wurden Ludgerus, der unbeugsam die Mission durchführte und dabei auch vor Kaiser Karl nicht zurückwich, und der damalige Bischof des Bistums Münster Bernhard Brinkmann zu Symbolfiguren des Widerstands im Bistum Münster. In Worten und Gesten nahm Brinkmann Bezug auf Ludgerus, und es zeigte sich, dass die Legitimität der bischöflichen Gewalt ungebrochen beim gläubigen Volk anerkannt geblieben war, ja dass sie, verkörpert durch den heiligen Ludgerus, bei Gläubigen und beim Klerus die Treue zum gegenwärtigen Bischof festigte.

Zur Bewährungsprobe für den heiligen Ludgerus wurde die Zeit des Nationalsozialismus. Mit der Figur des Heiligen versuchte die Kirche einerseits ihr Terrain in dieser Zeit zu bewahren, zum anderen stand die Verteidigung der Missionsgeschichte als Heilsgeschichte für die Bewahrung fundamentaler moralischer Normen, Gebote und christlicher Lebensführung auf dem Spiel. Repräsentant und Antreiber war Bischof Clemens August von Galen. Er machte Ludgerus zum Zeugen für die Rechtmäßigkeit seines Amtes, er sah sich als seinen Nachfolger und zog aus der Glaubenfestigkeit und Kirchentreue der Vorfahren Konsequenzen für die Gegenwart. Ludgerus war für ihn nicht nur Vorbild und historisches Argument; er sah in ihm auch den Beschützer, der den Katholiken seine Fürbitte in Zeiten der Bedrängnis nicht versagt hatte.

Ein Blick in das 20. Jahrhundert zeigt die Verehrung des heiligen Liudgers bei den großen Jubiläen von 1909 und 1959. Besonders das Jahr 1959 mit dem 1150jährigen Todesgedenken brachte erneut einen Antrieb zur Beschäftigung mit der Person des heiligen Liudger, und zwar nicht nur in der religiösen Verehrung, sondern auch in Wissenschaft und Kunst. Die Zeit der wirtschaftlich aufstrebenden Bundesrepublik brachte aber auch die Vermarktung des Heiligen mit sich. Liudgers Name dient auch heute noch als Werbung für Lebensmittel, Getränke, Heil- und Schönheitsmittel und Sportabzeichen.

Universitäts- und Landesbibliothek Münster