Pressemitteilung upm

Wenn das Essen außer Kontrolle gerät

Tagung am UKM zum aktuellen Stand der Psychotherapie von Essstörungen

Münster (upm), 11. März 2005

Die einen essen wie ein Spatz und versuchen, immer dünner zu werden. Die anderen schaufeln das Essen regelrecht in sich hinein, erbrechen sich aber anschließend, um ja nicht zuzunehmen. Wieder andere leiden ebenfalls unter wahren Essanfällen, behalten die Nahrung aber bei sich und werden immer dicker. In jedem dieser drei Fälle handelt es sich um klassische Formen von Essstörungen: Magersucht, Bulimie und "Binge-Eating-Störung". Essstörungen zählen heute - insbesondere bei jungen Frauen - zu den häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt. Über den aktuellen Stand der Psychotherapie und medikamentösen Behandlung auf diesem Gebiet informieren sich rund 100 Ärzte und Psychologen am kommenden Samstag, 12. März 2005, bei einer Tagung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster (UKM).

Nicht nur Psychiater und Psychologen werden immer wieder mit Essstörungen konfrontiert. Ein großes Thema sind solche Leiden heute vielmehr auch in den Praxen von Hausärzten, Internisten und anderen Fachmedizinern. Denn viele Betroffene suchen nicht wegen ihrer Magersucht oder Bulimie ärztliche Hilfe, sondern die Diagnose wird oft eher "nebenbei" gestellt, wenn etwa bei einer Grippe oder Magenverstimmung ein Arzt konsultiert wird oder die Patienten, wie zum Beispiel bei einer Magersucht, aufgrund ihres geringen Gewichtes unter Infektanfälligkeit, Schlappheit oder anderen körperlichen Beschwerden leiden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der großen Zahl von Betroffenen ist es daher wichtig, eine Essstörung zu erkennen und die Patienten fachgerecht zu behandeln. Ziel des Symposiums in Münster ist es, den Teilnehmern einen Überblick über den so genannten "State of the Art", das heißt über den neuesten, auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden und an internationalen Leitlinien orientierten Stand der Therapie zu geben. Die Tagungsleiter Privatdozentin Dr. Anette Kersting und Prof. Dr. Volker Arolt haben dafür ausgewiesene Wissenschaftler und erfahrene Kliniker gewonnen, die über die heutigen modernen Behandlungskonzepte berichten.

Essstörungen sind heute insbesondere bei jungen Menschen, vor allem bei jungen Frauen, sehr verbreitet. So leiden etwa zwei bis vier von hundert jungen Erwachsenen an einer Bulimie, die sich durch häufige Essattacken mit anschließendem Erbrechen auszeichnet. Auch bei der so genannten Binge-Eating-Störung, einer Form der Adipositas (Fettleibigkeit), von der ein bis drei Prozent der Bevölkerung betroffen sind, sind ausgeprägte Essanfälle typisch, allerdings bleibt das Erbrechen aus, so dass die Patienten ständig an Gewicht zunehmen und irgendwann zusätzlich zu ihrer psychischen Grunderkrankung unter ihren Körpermassen zu leiden haben. Während die Binge-Eating-Patienten immer mehr Gewicht mit sich herumschleppen, ist bei Magersüchtigen genau das Gegenteil der Fall. Ein bis zwei von hundert Personen, vor allem junge Mädchen und Frauen, leiden an dieser auch als Anorexia nervosa bezeichneten Essstörung, die sehr häufig chronisch verläuft und in zehn bis 20 Prozent der Fälle sogar zum Tod führt.

Alle Essstörungen gehen nach Worten Kerstings mit einer Vielzahl psychischer und körperlicher Symptome einher. Häufig leiden die Betroffenen gleichzeitig an depressiven Störungen beziehungsweise Angst- oder Zwangserkrankungen. Die Behandlung stellt daher eine große Herausforderung dar und erfordert in der Regel ein differenziertes multimodales Vorgehen. Im Rahmen der Tagung in Münster wird Dr. Gaby Groß aus Tübingen zunächst die aktuellen Therapiestrategien zur Behandlung der Magersucht darstellen und kritisch hinterfragen. Denn trotz weiterentwickelter Behandlungskonzepte konnte die Zahl der Todesfälle in den letzten zehn Jahren nicht reduziert werden. Die Behandlung der Bulimie steht im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Almut Zeeck aus Freiburg, während sich Prof. Dr. Stephan Herpertz aus Dortmund mit den psychobiologischen Wechselwirkungen zwischen Binge-Eating-Störung und Übergewicht sowie den Folgen für die Therapie beider Krankheitsbilder beschäftigen wird. Zuende geht das offizielle Vortragsprogramm mit einer Zusammenfassung der medikamentösen Behandlungsstrategien von Essstörungen durch Prof. Dr. Martina de Zwaan aus Erlangen. Am Nachmittag haben die Teilnehmer die Gelegenheit, im Rahmen mehrerer Workshops zur psychotherapeutischen Behandlung der drei Essstörungen konkrete klinische Fragestellungen zu diskutieren.

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie