Pressemitteilung upm

Fuchs zwischen Dichtung und Wahrheit

Universität Münster beschäftigt sich im Sommersemester intensiv mit dem europäischen Tierepos "Reineke Fuchs"

Münster (upm), 14. April 2005

[Reineke Fuchs]
Reineke Fuchs als Angeklagter vor dem König, eine Illustration von Wilhelm von Kaulbach aus dem Jahr 1857
   

Der sprichwörtlich schlaue Fuchs treibt sich im Sommersemester an der Westfälischen Wilhelms-Universität herum: Eine öffentliche Vortragsreihe, eine internationale Fachtagung und weitere Veranstaltungen in verschiedenen Fachbereichen der Universität beschäftigen sich in den kommenden Monaten in Münster mit dem europäischen Tierepos "Reineke Fuchs" und seiner Kulturgeschichte.

Der "Reineke Fuchs", bekannt aus Kinder- und Jugendbüchern oder der Werbung als ausgemachter Schlaumeier, treibt sein sprichwörtliches 'Unwesen' nicht erst seit Goethes Dichtung. Vielmehr ist er seit Jahrtausenden ein kulturhistorisches Phänomen: Die Geschichten vom bösen Fuchs und dem Hoftag der Tiere sind schon im Mittelalter etabliert. Zahlreiche Erzählmotive von der Listigkeit des Fuchses, der Gefräßigkeit und Gier des Wolfs oder vom Edelmut des Löwen finden sich schon in antiken Fabeln oder sogar in naturwissenschaftlichen Texten.

Die Vorträge der öffentlichen Ringvorlesung "Reineke Fuchs: Dichtung und Wahrheit" wollen im Sommersemester beleuchten, dass der Fuchs in fast allen Kulturräumen Europas schon lange als Schelm, aber auch Symbol des Bösen bekannt. Unter anderem soll betrachtet werden, wie die griechischen, lateinischen, französischen, deutschen, englischen und niederländischen Überlieferungen zusammenhängen. Nicht immer ist dabei zu trennen ob die Geschichten Dichtung oder Wahrheit über den Fuchs vermitteln. Sind beispielsweise byzantinische naturwissenschaftliche Texte über die Tiere nach heutigem Verständnis zutreffend? Wie sehen Naturwissenschaftler heute die Rolle und das Verhalten des Fuchses? Dichten wir dem Rotfuchs noch heute ein Verhalten an, das ursprünglich aus der antiken und mittelalterlichen Erzählkunst stammt? Oder gründet die sprichwörtliche Listigkeit des Fuchses gar auf empirischer Naturbeobachtung?

Zwischen Dichtung und Wahrheit sind wohl ebenfalls die künstlerischen Darstellungen der Tierwelt anzusiedeln, die seit Jahrhunderten rund um das Tierepos entstanden sind. Fabeln und andere Tiergeschichten werden seit Jahrhunderten in Büchern illustriert, auch scheinen sich die Charaktereigenschaften der vermenschlichten Figuren in die seit der Renaissance entwickelten Naturstudien des Tieres geschmuggelt zu haben. Trennen die Künstler zwischen reiner Naturstudie und literarischer Tradition? Mit welchen Bedeutungszuschreibungen erscheinen und erschienen bestimmte Tierfiguren in den europäischen Bildwerken, sei es in Malerei oder Skulptur? Schon der zentrale Gegenstand der Ringvorlesung verspricht nicht nur wissenschaftlichen Ernst, sondern auch manches Augenzwinkern.

Die Vortragsreihe beginnt am Montag, 18. April 2005, um 18.15 Uhr im Vortragssaal des Westfälischen Landesmuseums am Domplatz 10 in Münster mit einer kurzen Einführung durch die Veranstalter und dem Vortrag des Byzantinisten Prof. Dr. Rainer Stichel zu den ältesten erhaltenen Bild- und Textzeugen der Tierwelt in der südosteuropäischen Kultur, die das christliche Abendland nicht unwesentlich geprägt haben. Die weiteren elf Vorträge folgen jeweils montags ab 18.15 Uhr im Landesmuseum. Der Eintritt ist frei.

Zahlreiche Fachbereiche der Universität veranstalten in diesem Semester parallel zur Ringvorlesung weitere Seminare, Übungen und Vorlesungen zum Thema. Reineke Fuchs steht auch im Mittelpunkt eines internationalen Kolloquiums der Gesellschaft "Société International Renardienne" vom 1. bis 5. August in Münster. Im Tagungshotel Agora am Aasee werden sich Experten aus aller Welt mit Reineke Fuchs beschäftigen, dabei aber auch allgemeinere Fragen wie die nach satirischer Literatur, der Tradition der Tierepik und "Kulturen der Lüge" behandeln.

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