Pressemitteilung upm

Training am Phantom-Patienten

Im "Skills Lab" werden Medizinstudenten in Münster praktische ärztliche Fertigkeiten vermittelt

Münster (upm), 19. Oktober 2005

[Skills Lab]
Täuschend echt sieht der künstliche Arm aus, an dem der Student die Blutabnahme am realen Patienten einübt.
   

Die Vermittlung praktischer ärztlicher Fertigkeiten hat mit der neuen Approbationsordnung erheblich an Bedeutung gewonnen. Denn am Ende des Medizinstudiums soll heute der "berufsfähige Arzt" stehen. "Kein Pilot steigt ins Flugzeug, ohne vorher am Simulator geübt zu haben" , so Dr. Bernhard Marschall, Studiendekan der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Mit großem Engagement hat er sich daher für die Einrichtung eines "Skills Lab" stark gemacht, wo die angehenden Ärztinnen und Ärzte anhand unterschiedlichster didaktischer Hilfsmittel, wie unter anderem frappierend echt wirkender künstlicher Körperteile, das richtige Auge, ein geschultes Händchen und das richtige Gespür für den Umgang mit dem wirklichen Patienten bekommen.

Neben dem Trainieren der rein "handwerklichen" Fertigkeiten verlieren die Studentinnen und Studenten beim Üben mit den Phantomen auch Scheu und Unsicherheit im Umgang mit realen Patienten. Wenn sie zum wiederholten Mal eine künstliche Brust nach Knoten abgetastet haben, werden sie nicht mehr so verlegen sein, wenn sich zum ersten Mal eine Patientin für eine solche Untersuchung entblößt. Sicher wird das Durchbrechen der Intimsphäre anfangs noch nicht so selbstverständlich sein wie für einen erfahrenen Arzt. Gerade deshalb ist es aber für die Studierenden besonders hilfreich, wenn sie die rein technische Seite, wie etwa eine rektale Untersuchung oder das Legen eines Blasenkatheters, schon weitgehend beherrschen. Um bei den verschiedenen Untersuchungstechniken auch entsprechende pathologische Befunde zu entdecken, sind die Phantome entsprechend präpariert. So lässt sich beispielsweise bei den Köpfen ein Diastreifen mit unterschiedlichen Augenhintergründen einschieben oder bei den Schwangerschaftsbäuchen die Lage des Fötus im Uterus verändern.

Das eindrucksvollste Beispiel für die Demonstration pathologischer Befunde und deren Diagnostik und der besondere Stolz des "Skills Lab" ist Harvey, ein Phantompatient für kardiologische Erkrankungen. Neben Berlin, Essen und Göttingen verfügt seit wenigen Wochen auch Münster über diese lebensgroße High-Tech-Puppe, an der sich durch die Eingabe unterschiedlicher Zahlencodes eine Vielzahl charakteristischer Herz- und Lungengeräusche erzeugen lässt, wie sie für häufige und weniger häufiger kardiologische Erkrankungen typisch sind. Ein im Innenleben Harveys versteckter Lautsprecher macht diese Geräusche hörbar. Gleichzeitig werden weitere charakteristische Körperfunktionen aktiviert, so dass die Studenten beispielsweise auch den Puls messen und das Pulsieren der Halsschlagader beobachten können.

Während Harvey wegen der nötigen Vorbereitungen derzeit noch der Studenten harrt, die sich an ihm in kardiologischer Diagnostik üben, sind andere Phantome bereits im Einsatz. So hat die Gynäkologie diese Form der Vermittlung praktischer ärztlicher Fertigkeiten bereits erfolgreich in den Lehrplan aufgenommen. Um das dort Gelernte anschließend sogleich an Realpatientinnen anzuwenden, rekrutiert die Frauenklinik - mit großer Resonanz - Frauen, die sich für entsprechende Untersuchungen zur Verfügung stellen. "Wir werden das Skills Lab sukzessive in Betrieb nehmen", berichtet Marschall, der gegenwärtig die größte Herausforderung darin sieht, diesen Unterricht im Curriculum der einzelnen Fächer fest zu verankern. Bislang ist der Besuch dieses medizinischen Trainingslagers für die Studierenden des vierten vorklinischen sowie des ersten, dritten und fünften klinischen Semester verpflichtend. Mittelfristig will der Studiendekan erreichen, dass jedes Semester an einem Tag pro Woche ins Skills Lab kommt.

Neben den Puppen stehen hier noch eine Vielzahl anderer didaktischer Hilfsmittel zur Verfügung. Das Angebot reicht von speziellen Computerprogrammen, mit denen die Studierenden einen virtuellen Patienten von der Aufnahme ins Krankenhaus bis zur Entlassung "begleiten" und dabei verschiedenste Untersuchungs- und Therapievorschläge erarbeiten, bis zu selbst gebastelten Kistchen, wo sich die Studierenden im chirurgischen Knoten und Nähen üben können. Ob Thoraxdrainage oder das Legen eines zentralvenösen Venenkatheters, Einführen einer Magensonde oder Kleines Einmaleins einer Laparoskopie - bevor der Student irgend etwas am realen Patienten durchführt, soll er erst einmal an Phantomen Tuchfühlung aufgenommen haben. Das Skills Lab ist für den Studiendekan allerdings nur der erste Schritt. Als nächstes schwebt ihm ein virtuelles Krankenhaus vor, in dem die einzelnen Angebote nicht wie jetzt nebeneinander stehen, sondern so angeordnet sind, das der Student hier wie in einem realen Krankenhaus agieren kann.

Medizinische Fakultät