Pressemitteilung upm

Edelgas schützt Nervenzellen

Ärztlicher Direktor des UKM und Kooperationspartner an der Charité mit Berliner Transferpreis ausgezeichnet

Münster (upm), 07. November 2005

[Kox]
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Kox
   

Jahr für Jahr erleiden allein in Deutschland über 200.000 Menschen einen Schlaganfall. Viele Patienten tragen dabei bleibende Behinderungen davon, durch die sie schlimmstenfalls ihre Selbstständigkeit einbüßen und fortan auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Behinderungen erklären sich durch eine Minderdurchblutung des Gehirns, die wiederum dazu führt, dass Nervenzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden und absterben. Während es bislang kaum wirksame Möglichkeiten gab, den Untergang der Nervenzellen aufzuhalten, zeichnet sich auf diesem Gebiet jetzt ein Durchbruch ab: Bei Inhalation des Edelgases Xenon innerhalb der ersten vier Stunden nach dem Schlaganfall können die Zellen wirksam geschützt werden. Für diese Entdeckung wurden Prof. Dr. Dr. Wolfgang Kox, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Münster (UKM), und der an der Berliner Charité tätige Molekularbiologe Prof. Dr. Christian Petzelt in Potsdam mit dem "Transferpreis WissensWerte" 2005 ausgezeichnet.

Der TSB Förderverein Technologiestiftung Berlin e.V., der den mit 10.000 Euro dotierten Preis vergeben hat, würdigt damit neben der eigentlichen Forschungsarbeit insbesondere den erfolgreichen Transfer in die wirtschaftliche Anwendung. So konnten sich die beiden Preisträger durch umgehende Anmeldung ihrer Entdeckung zum Patent zunächst einmal einen Vorsprung gegenüber amerikanischen Wissenschaftlern sichern, die sechs Wochen später zu den gleichen Forschungsergebnissen kamen. Und noch bevor das deutsche Patent überhaupt erteilt wurde, haben sie mit dem Unternehmen Linde Gas Therapeutic AG, dem größten deutschen Xenon-Hersteller, einen industriellen Partner gefunden, der die Entdeckung der beiden Wissenschaftler jetzt zur Marktreife führt und somit die praktischen Voraussetzung für den klinischen Einsatz schafft. Prof. Kox rechnet damit, dass dies in zwei bis drei Jahren der Fall sein wird. Der heutige Ärztliche Direktor des UKM hat die Forschungsarbeiten noch während seiner aktiven Zeit als Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Charité durchgeführt, wo er vor seinem Wechsel nach Münster tätig war.

Während Xenon bislang in der Medizin ausschließlich als Narkosemittel bekannt war, eröffnen sich jetzt völlig neue Perspektiven für das Edelgas. Die positive Wirkung auf die Nervenzellen beruht laut Kox auf einer durch das Gas ausgelösten Hemmung bestimmter Enzyme im Gehirn, die den Zelltod in Gang setzen und aufrecht erhalten. Nicht nur für Schlaganfall-Patienten, sondern auch für Menschen mit Schädel-Hirn-Verletzungen ergeben sich damit laut Kox künftig deutlich verbesserte Behandlungschancen. Wie es aussieht, könnten darüber hinaus aber auch noch andere Patienten von dem Einsatz des Edelgases profitieren. Wie die beiden Wissenschaftler herausgefunden haben, schützt Xenon nämlich nicht nur Nervenzellen, sondern auch wichtige andere Körperzellen. So können sich die Transferpreisträger spätere Einsatzmöglichkeiten beispielsweise auch im Rahmen der Transplantationsmedizin vorstellen, wo mit Hilfe von Xenon das Absterben von Zellen in Spenderorganen reduziert werden könnte. Und auch die Vorbeugung möglicher Zellschädigungen beim Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen halten sie künftig für möglich.