Pressemitteilung upm

Transplantierter wird selbst Organspender

Erste Domino-Lebertransplantation am Universitätsklinikum Münster

Münster (upm), 08. November 2005

[Manuel]
Wenige Stunden nach der Operation fühlt sich Manuel Ferreira da Silva bereits wieder ausgesprochen gut. Mittlerweile hat er die Intensivstation längst wieder verlassen.
   

Erstmalig wurde am Universitätsklinikum Münster (UKM) die "Dominotransplantation" einer Leber durchgeführt. Von einer Dominotransplantation sprechen Mediziner dann, wenn von der Organübertragung eines Patienten gleichzeitig ein zweiter Patient auf der Warteliste profitiert, indem er nämlich das eigene Organ des anderen Patienten erhält. Bei den beiden Patienten, denen an der Klinik für Allgemeine Chirurgie des UKM am 4. November nach diesem Verfahren eine Leber verpflanzt wurde, handelte er sich um zwei Männer im Alter von 32 und 65 Jahren.

Der 32-Jährige litt an Amyloidose, einer angeborenen Stoffwechselerkrankung, in deren Verlauf es zu lebensgefährlichen Eiweißablagerungen in den peripheren Nerven und in den Organen kommt. In der Regel macht sich diese durch einen Gendefekt verursachte Erkrankung erst im Alter von etwa 30 Jahren bemerkbar. So auch bei diesem Patienten. Ohne Lebertransplantation wäre die Eiweiß-Ablagerung unaufhaltsam fortgeschritten und der Mann wäre innerhalb weniger Jahre verstorben. Durch die Transplantation der Spenderleber wird das Forschreiten der Erkrankung aufgehalten, da die neue Leber die Eiweiße wieder abbauen kann. Die Mediziner verstehen die Transplantation somit zugleich als Gentherapie, da die Folgen des Gendefektes wirksam bekämpft werden.

Da der junge Mann ansonsten gesund und auch seine Leberfunktion bis auf den fehlenden Abbau des speziellen Eiweißes intakt war, bot sich an, mit seinem Organ einen anderen Leberkranken mit anderer Grunderkrankung zu helfen. Denn in Deutschland und besonders in Nordrhein-Westfalen werden viel zu wenig Organspenden gemeldet, was dazu führt, dass viele Patienten auf der Wartleiste sterben, bevor für sie ein neues Organ erhalten. Nach Rücksprache mit der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Münster wurde daher einem zweiten Patienten, der auf der Warteliste des UKM vermerkt war, die Leber des 32-Jährigen transplantiert. Da eine Amyloidose in der Regel erst nach 20 bis 30 Jahren die ersten Symptome macht, ist die Transplantation des ansonsten gesunden Organs für einen älteren Menschen eine wirkliche Chance auf ein noch langes gesundes Überleben.

Bei dem 65-Jährigen, der die Leber des Amyloidosekranken erhalten hat, handelt es sich um einen Mann mit Leberkrebs. Nachdem ihm vor knapp fünf Jahren bereits ein Teil der Leber entfernt worden war, hatte sich mittlerweile ein erneuter Tumor in diesem Organ gebildet, der nicht mehr zu operieren war. Als einzige Behandlungsmöglichkeit blieb die Transplantation. In seinem Fall hätte er jedoch damit rechnen müssen, länger als ein Jahr auf ein Spenderorgan warten zu müssen. In dieser Zeit wäre das Tumorwachstum aber fortgeschritten und der Krebs hätte sich wahrscheinlich auch außerhalb der Leber ausgebreitet. Und wenn dies einmal der Fall ist, kommt eine Transplantation in der Regel nicht mehr in Frage. Insofern hat die Übertragung des Organs des 32-Jährigen dem 65-Jährigen wahrscheinlich das Leben gerettet. In Münster war dies zugleich die erste Leberlebendspende und -transplantation.

Für die Mediziner am UKM bedeutete die erste Dominotransplantation zugleich einen noch ungewohnten technischen und logistischen Aufwand. Denn erstmals galt es, zwei Lebertransplantation zeitlich parallel durchzuführen. Dazu musste zunächst einmal sichergestellt werden, dass in beiden Operationssälen entsprechende personelle Kapazitäten vorhanden waren. Während die Vorbereitungen bereits liefen, musste dafür gesorgt werden, dass beide Patienten zeitgleich einbestellt wurden. Hinzu kamen die technischen Besonderheiten der Entnahme der Leber des Amyloidose-Patienten und die Vorbereitung dieses Organs für die Transplantation bei dem Krebspatienten.

Am Tag der Transplantation am 4. November ist dann alles zur besten Zufriedenheit verlaufen. Während Klinikchef Prof. Dr. Norbert Senninger in einer insgesamt fünfstündigen Operation dem 32-Jährigen die Leber eines Verstorbenen übertrug und die eigene Leber des Patienten für die weitere Transplantation entnahm, führte Oberarzt Dr. Jens Brockmann im OP nebenan die andere Operation durch. Nach achteinhalb Stunden war auch die geschafft. Beiden Patienten geht es zur Zeit den Umständen entsprechend gut. Dem Amyloidose-Patienten konnte bereits zwei Stunden nach der Operation der Beatmungsschlauch entfernt werden. Am Tag nach der Operation wurde er von der Intensivstation auf die Transplantationsstation verlegt, seine Leberfunktion und seine übrigen Vitalfunktionen sind sehr gut, er isst gut und läuft auch bereits wieder herum. Wegen einer verlängerten Aufwachphase befindet sich der andere Patient derzeit noch auf der Intensivstation, seine Leberfunktion ist jedoch ebenfalls gut.

Neben der Dominotransplantation fand in der Klinik für Allgemeine Chirurgie des UKM am selben Tag übrigens noch eine weitere Lebertransplantation statt und am Tag darauf noch eine, so dass innerhalb von nur zwei Tagen insgesamt vier Lebern verpflanzt wurden. Allen Patienten geht es nach Angaben von Klinikchef Senninger sehr gut. Trotz der Transplantationen lief das reguläre Operationsprogramm der Klinik nahezu komplett, so dass zum Ende der Woche lediglich ein Patient auf einen späteren Termin Anfang dieser Woche verschoben werden musste, ist Senninger auch ein wenig stolz auf diese ärztliche und logistische Meisterleistung.

Klinik für Allgemeine Chirurgie