Pressemitteilung upm

Bücher vor dem Tribunal der römischen Glaubenswächter

Symposion über "Buchzensur durch römische Inquisition und Indexkongregation" an der Universität Münster

Münster (upm), 23. November 2005

[Wolf]
Prof. Dr. Hubert Wolf
Foto: Dominik Höink   

Brennende Scheiterhaufen, zu Tode gequälte Folteropfer, psychopathische Glaubenswächter mit irrem Blick - das verbindet man landläufig mit dem Begriff "Inquisition". Dass eine der Hauptaufgaben der 1542 gegründeten "Heiligen Römischen und Universalen Inquisition" und der 1571 errichteten "Indexkongregation" die Totalkontrolle des Buchmarktes war, ist hingegen nicht im öffentlichen Bewusstsein. Kaum ein Werk, dass die römischen Zensoren nicht untersuchten.

Erst seit 1998 ist es überhaupt möglich, die Akten zur römischen Buchzensur, die im Archiv der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan aufbewahrt werden, zu benutzen. In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Langzeitprojekt "Römische Inquisition und Indexkongregation" wird dieses einmalige Archiv neuzeitlicher Wissenskultur an der Universität Münster erforscht. Das Projekt von Prof. Dr. Hubert Wolf und seinen Mitarbeitern hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamte römische Buchzensur von 1542 bis 1966, dem Ende des "Index der verbotenen Bücher", zu untersuchen.

In dieser Grundlagenforschung geht es zunächst um eine Edition aller "Bandi", der Urteilsplakate von Indexkongregation und Inquisition, die alle Titel und Ausgaben der Werke, die in Rom verboten wurden, präzise identifiziert. Zum zweiten wird ein vollständiges Inventar der für die Buchzensur relevanten Akten erarbeitet. Dieses "Systematische Repertorium" bietet einen Überblick über alle Sitzungen der beiden Zensurkongregationen und ihrer Teilnehmer, über alle verhandelten Bücher, über alle Gutachten und Zensuren und letztlich über alle römischen Entscheidungen in Sachen Buchzensur. Drittens werden die Mitarbeiter von Inquisition und Indexkongregation, namentlich die Gutacher, und ihre konkrete Tätigkeit als Zensoren erstmals in der "Prosopographie", einer bio-bibliographischen Datenbank, erschlossen. Die Forschungen zum 19. Jahrhundert sind abgeschlossen, die Ergebnisse soeben in sieben Bänden im Verlag Ferdinand Schöningh (Paderborn) erschienen.

Im Rahmen eines Symposions vom 29. November bis 1. Dezember 2005 in Münster präsentieren Prof. Dr. Hubert Wolf und sein Team ihre Forschungen, die von internationalen Experten diskutiert werden. Beim öffentlichen Festakt am 29. November im Schloss zu Münster haben sich unter anderem angesagt Kardinal Tarcisio Bertone, Erzbischof von Genua und Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre, Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der DFG, und Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Der Leibniz- und Communicator-Preisträger Prof. Wolf hält den Festvortrag zum Thema "Bücher vor dem Tribunal der römischen Glaubenswächter: Vom 'Knigge' über 'Onkel Toms Hütte' zu Hitlers 'Mein Kampf'". Anhand von drei ausgewählten Fällen beantwortet der Kirchenhistoriker die Frage, was die Kardinäle der Inquisition alles gelesen haben, warum sie welches Buch verboten und vor allem, warum auch zahlreiche Werke unbeanstandet blieben und freigesprochen wurden. Dadurch werden dem geheimsten aller Archive seine wichtigen Geheimnisse entrissen.

Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte