Pressemitteilung upm

Bindung und Trennung

Symposium der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKM

Münster (upm), 02. Dezember 2005

Der Verlust eines geliebten Menschen gehört wohl mit zu den leidvollsten Erfahrungen, die man im Laufe seines Lebens machen kann. Die Verarbeitung von Schmerz und Trauer kann allerdings individuell sehr unterschiedlich sein. Eine wichtige Rolle spielen dabei unter anderem die näheren Umstände des Verlustes, die Beziehung zu der verlorenen Person und individuelle psychische Faktoren. Nicht selten hat der Verlust auch nachhaltige Folgen: Trennungen gehören zu den häufigsten Auslösern psychischer Erkrankungen. Vor dem Hintergrund aktueller Befunde zur Bindungs- und Trauerforschung beschäftigt sich am 3. Dezember 2005 eine Tagung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikum Münster (UKM) mit der Verarbeitung von Verlusten.

Wie bei der Veranstaltung deutlich werden wird, haben frühkindliche Bindungserfahrungen einen hohen Einfluss darauf, wie ein Mensch im Verlauf seines Lebens auf Trennungen reagiert beziehungsweise wie er diese verarbeitet. Nach Worten von Privatdozentin Dr. Anette Kersting, die diese Tagung gemeinsam mit Klinikdirektor Prof. Dr. Volker Arolt leitet, geht die Bindungsforschung von der Hypothese aus, dass in allen Menschen ein Bindungsbedürfnis angelegt ist, das in bedrohlichen Situationen aktiviert wird. Automatisch wird in solchen Situationen Schutz bei einer "Bindungsperson" gesucht, die für kleine Kinder in der Regel die Eltern darstellen. Wichtig ist nun, wie diese reagieren. "Die feinfühlige Fürsorge", so Kersting, "bildet eine wichtige Grundlage für die sichere Bindungsentwicklung des Kindes." Das bedeutet im Klartext: Erlebt das Kind eine sichere Bindung, so wirkt diese Erfahrung wie ein Schutzschild für die weitere Entwicklung. Experten unterscheiden vier verschiedene Bindungsmuster, die nicht zuletzt auch bei der späteren Verarbeitung von Verlusten und Trennungen eine wichtige Rolle spielen.

Im Verlauf des Symposiums wird der Freiburger Psychiater Prof. Dr. Carl Eduard Scheidt die aktuellen Befunde der Bindungstheorie näher erläutern und dabei besonders auch geschlechtsspezifische Unterschiede herausstellen. Dass Bindung nicht erst mit der Geburt beginnt, wird Prof. Dr. Inga Neumann vom Institut für Zoologie der Universität Regensburg darlegen. In der Tat besteht bereits während der Schwangerschaft eine Bindung zwischen Mutter und Kind , die sich auch auf physiologischer Ebene wissenschaftlich nachweisen lässt, wie die Referentin berichten wird.

Im zweiten Teil der Tagung steht die Verarbeitung von Verlusten im Mittelpunkt. Erwiesen ist laut Kersting, dass Hinterbliebene nach dem Tod eines nahen Angehörigen ein erhöhtes Risiko für eine Depression oder eine Angsterkrankung haben. Insbesondere der Tod eines Kindes ist für Eltern nur schwer zu verarbeiten und mit einem erhöhten Risiko für eine stationäre psychiatrische Behandlung verbunden. Untersuchungen haben zudem ergeben, dass Mütter in den ersten drei Jahren nach dem Tod ihres Kindes ein erhöhtes Sterberisiko haben.

Nur wenige Studien haben sich bislang mit möglichen Unterschieden im Trauerverhalten bei Frauen und Männern beschäftigt. Zwar wird immer wieder diskutiert, dass Frauen Verluste schmerzlicher erleben als Männer. Auf der anderen Seite wird dagegen gehalten, dass sich Frauen möglicherweise nur deshalb häufiger in Behandlung wegen eines nicht zu bewältigenden Verlustes begeben, weil sie ganz einfach eher von solchen Erfahrungen betroffen sind als Männer. Dies liegt zum einen an der höheren Lebenserwartung von Frauen, aber auch daran, dass Frauen häufig ältere Männer heiraten und daher ein höheres Risiko haben, ihren Partner zu verlieren. Nach einer Zusammenfassung der aktuellen Befunde zu den geschlechtsspezifischen Aspekten bei der Verarbeitung von Trauer durch Tagungsleiterin Kersting wird die Münchener Psychologin Prof. Dr. Rita Rosner über die Effektivität spezifischer Behandlungskonzepte zur Begleitung Trauernder beziehungsweise zur Behandlung komplizierter Trauerverläufe geben.

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie