Pressemitteilung upm

Einwanderung russischer Juden nach Deutschland

Vortrag des amerikanischen Politikwissenschaftlers Prof. Harris

Münster (upm), 20. Dezember 2005

[Vortrag Prof. Harris]
Referent Prof. Harris (Mitte) mit Prof. Kevenhörster und Prof. Thränhardt von der Universität Münster sowie Nadja Jiliani von der Augusta State University und Jolanta Vogelberg von der Konrad-Adenauer-Stiftung (v. r. n. l.)
   

"Deutschland ist neben Israel und den USA das wichtigste Einwanderungsland für jüdische Immigranten weltweit." Das sagte Prof. Dr. Paul Harris von der Georgia State University (USA) in seinem Vortrag " Die Einwanderung russischer Juden nach Deutschland. Voraussetzungen und Integrationsperspektive". Der Politikwissenschaftler Harris, der als Gastprofessor von 1997 bis 1998 am Institut für Politikwissenschaft in Münster lehrte, war der Einladung von Prof. Dr. Dietrich Thränhardt und Prof. Dr. Paul Kevenhörster gefolgt. Die beiden Professoren konnten ihn als Dozenten für ihre Vortragsreihe "Zuwanderung und Integration in Deutschland und ihr entwicklungspolitischer Kontext" gewinnen.

Paul Harris legte in seinem Vortrag die Gründe für die Immigration der russischen Juden dar und erläuterte die Besonderheiten der Immigration jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. "Als einen primären Grund für die Immigration nach Deutschland nennen viele russisch-jüdische Einwanderer familiäre Gründe", so Harris, der gemeinsam mit dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam und dem Institute of Sociology der Universität Tel Aviv eine von der Volkswagen Stiftung unterstützte, vergleichende Untersuchung zur Situation "russisch-jüdischer" Immigranten in Deutschland, Israel und den USA durchführte.

"Die russischen Juden haben keine gefestigte und ausgeprägte Religiosität. Der Grund dafür ist die Unterdrückung der Religion während der Zeit des Kommunismus", erklärte Harris und erläuterte weiter: "Im Kommunismus bedeutete der Kampf gegen den Kapitalismus zugleich einen Kampf gegen die Religion." In seinen Augen sind daher die heutigen jüdischen Immigranten aus Russland nicht mit denen aus der Zeit von 1880 bis 1920 zu vergleichen, da diese einen ganz anderen religiösen Hintergrund hatten.

"Eine besondere Herausforderung stellt diese Tatsache für die wachsenden jüdischen Gemeinden in Deutschland dar", unterstrich Harris und meinte damit die teilweise fehlenden Kenntnisse junger Einwanderer über die religiöse jüdische Kultur. "Diese jungen Menschen sind die Zukunft der jüdischen Religion in Deutschland. Zugleich zeigte er aber auch auf, dass der Zuwachs jüdischer Gemeinden in erster Linie auf Grund der russisch-jüdischen Immigration stattfindet. "Es gibt 84 jüdische Gemeinden in Deutschland, davon sind 74 nach 1991 gegründet worden. Und die meisten Mitglieder sind jüdisch-russische Immigranten", sagte Harris und nannte als Beispiel die jüdische Gemeinde in Berlin, in der 75 Prozent der Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion stammen.

Als Problem der Integration russisch-jüdischer Einwanderer in Deutschland sieht Harris die schlechten Sprachkenntnisse sowie fehlende Arbeitsplätze, die eine Integration über den Arbeitsplatz ermöglichen würden. Generell empfindet Prof. Harris die Einwanderung der russischen Juden allerdings als positiv und spricht von einer Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland. Der ausgewiesene Experte, auch für deutsche Politik, glaubt allerdings, dass Deutschland eine grundlegende öffentliche Diskussion über die Einwanderung führen muss: "Es gibt dabei allerdings kein Ziel, diese Diskussion ist als eine Reise zu verstehen!"

Institut für Politikwissenschaft