Pressemitteilung upm

Auf dem Weg zu einem schmerzfreien Krankenhaus

Universitätsklinikum Münster war Teilnehmer an bundesweitem Pilotprojekt / Ergebnisse liegen jetzt vor

Münster (upm), 21. Dezember 2005

Dass Patienten im Krankenhaus unter Schmerzen leiden, dürfte heute eigentlich nicht mehr vorkommen. Die Realität sieht aber in vielen Kliniken leider noch ganz anders aus. Zu ergründen, warum eine große Zahl von Patienten nach wie vor nicht von den großen Forschritten der modernen Schmerzbehandlung profitiert, und Strategien für eine nachhaltige Verbesserung dieser Situation zu entwerfen, war Ziel eines bundesweiten Pilotprojektes "Schmerzfreies Krankenhaus". Die Ergebnisse am Universitätsklinikum Münster (UKM) zeigen, dass sich das Projekt gelohnt hat. "Aus den Defiziten sind neue interdisziplinäre Therapiestrategien erwachsen, die zu einer besseren schmerztherapeutischen Behandlung unserer Patienten geführt haben", berichtet Privatdozentin Dr. Esther Pogatzki-Zahn über die Erfahrungen am UKM, das sich als eines von fünf Krankenhäusern und einziges Universitätsklinikum an dem Pilotprojekt beteiligt hat.

Obwohl die Schmerztherapie gerade am UKM schon seit Jahren einen besonderen Stellenwert in Forschung und Klinik einnimmt, war die Situation auch hier nicht optimal. Zwar wurde bereits vor zehn Jahren ein Akutschmerzdienst etabliert, der rund um die Uhr insbesondere für Patienten nach ausgedehnten operativen Eingriffen zur Verfügung steht. Dennoch haben nicht alle Schmerzpatienten in vollem Maße von den Möglichkeiten profitiert. Hierzu zählten Patienten, bei denen postoperativ aus medizinischer Sicht kein aufwändiges Schmerztherapieverfahren gerechtfertigt war und die damit auch nicht durch den Akutschmerzdienst versorgt wurden. "Bei diesen Patienten fehlten vor allem Behandlungsrichtlinien auf den allgemeinen Pflegestationen, die eine schnelle, gezielte und wirksame Therapie der Schmerzen gewährleisten", verweist Pogatzki-Zahn auf die im Rahmen des Pilotprojektes vorgenommene Ist-Analyse. Ein wesentlicher Grund für Defizite bei der Schmerzbehandlung sei ferner eine mangelnde Evaluation von Schmerzen gewesen. Das heißt, es wurde zu wenig nach Schmerzen gefragt und Schmerzen wurden nicht wie beispielsweise Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur dokumentiert.

Als Reaktion auf die festgestellten strukturellen Defizite wurden am UKM von einer fachübergreifenden Arbeitsgruppe aus Ärzten und Pflegekräften verschiedene Maßnahmen zur Optimierung der Situation entwickelt. So wurde jetzt unter anderem im Patientenverlaufsbogen (Patientenkurve) Platz für eine Schmerzdokumentation geschaffen. Die Art der Schmerzmessung und Dokumentation wurde vereinheitlicht. Damit Patienten auch wirklich schnellstmöglich die individuell beste Therapie erfahren, wurden Schwestern und Pfleger in die Behandlung einbezogen. Bislang war dies ausschließlich ärztliche Aufgabe. Um das pflegerische Personal in die Lage zu versetzen, die Schmerztherapie relativ selbstständig durchzuführen, wurden auf den Stationen neue Algorithmen, das heißt spezielle Ablaufpläne, entwickelt, die eine sofortige Gabe von stark wirksamen Schmerzmedikamenten durch das Pflegepersonal möglich machen, wenn diese notwendig ist. Voraussetzung für die Durchführung eines derartigen Behandlungsschemas war allerdings eine intensive Schulung der Pflegekräfte. "Erste Ergebnisse zeigen", so Pogatzi-Zahn, "dass die Einführung dieser Maßnahmen Schmerzen stark reduziert und sich die Zufriedenheit der Patienten dadurch deutlich erhöht."

Das Projekt "Schmerzfreies Krankenhaus" wurde vor zwei Jahren gestartet. In der Pilotphase wurde der Ist-Zustand der schmerztherapeutischen Behandlung im UKM und vier weiteren Krankenhäusern in Deutschland erhoben. Der daraufhin erstellte Ergebnisbericht war Basis für ein Optimierungskonzept und Schulungen in den beteiligten Kliniken. Nach Einführung der entwickelten Maßnahmen wurde erneut evaluiert. Während die fünf Krankenhäuser jetzt auf ihr Zertifikat "Schmerzfreies Krankenhaus" warten, wurden mittlerweile weitere 20 Kliniken in das Projekt eingeschlossen. Deutlich wurde insgesamt bei dem Projekt, dass in Deutschlands Krankenhäusern offensichtlich viele Patienten unnötig unter Schmerzen leiden. Jeder dritte Schmerzpatient erhält keine Schmerzmittel, ein weiteres Drittel erhält Schmerzmittel, die zu kurz wirken oder zu schwach sind. Nach dem Motto "Schmerzen gehören einfach dazu" beißen viele Patienten einfach die Zähne zusammen und weisen Ärzte und Pflegepersonal oftmals gar nicht erst auf ihre Qualen hin. Aufklärung der Patienten ist ein wichtiger Aspekt, der am Anfang einer guten Schmerztherapie stehen muss. Gleichzeitig gibt es aber in den Krankenhäusern offensichtlich große Mängel bei der Organisation einer optimalen Schmerztherapie, so dass viele schmerzgeplagte Patienten gar nicht oder nicht in vollem Maße von den großen Fortschritten auf diesem Gebiet profitieren. Dies nachhaltig zu verbessern, war Ziel des Projektes. Die Erfahrungen am UKM zeigen, dass dieses Ziel erreichbar ist.