Pressemitteilung upm

Weihnachten zwischen Ost und West

Theologe Prof. Dr. Reinhard Hoeps über alte und neue Weihnachtsbilder

Münster (upm), 22. Dezember 2005

[van der Weyden]
Der Bladelin-Flügelaltar von Rogier van der Weyden (1399-1464)
   

In einer Ruine knien Maria und Josef vor dem Kind, das auf einem Tuch am Boden liegt. Ganz in der Nähe kniet ein mittelalterlich gewandeter Mann. Mitten im Bild steht eine Säule. Der Betrachter wird geradezu animiert auch niederzuknien und das Kind zu verehren. "Die Verehrung des Kindes als Erlöser wird erst in Bildern ab dem 14. Jahrhundert so dargestellt", erklärt Prof. Dr. Reinhard Hoeps, Leiter der Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie, theologische Ästhetik und Bilddidaktik der Universität Münster und Dekan der katholisch-theologischen Fakultät.

Aus dieser Zeit stammt die Vision der heiligen Birgitta von Schweden (1303-1373), an die sich der Maler Rogier van der Weyden (1399-1464) mit seiner Darstellung gehalten hat. Die Ordensgründerin Birgitta von Schweden hatte die Bibel so intensiv gelesen, dass sie sich in die Worte einfühlen konnte, als wäre sie dabei gewesen. Sie beschrieb ihr Bild von Jesu Geburt so plastisch, dass sich Künstler wie van der Weyden, Albrecht Dürer oder Hans Memling davon beeinflussen ließen. In der Vision konnte Maria das Kind so leicht gebären, dass sie nur eine Säule als Stütze brauchte. Und was macht der fremde Mann auf dem Bild? Prof. Dr. Reinhard Hoeps dazu: "Mit Birgittas Vision hat dieser Mann nichts zu tun. Es ist der Stifter des Bildes, den der Künstler auf diesem Kirchenbild verewigt hat."

[Giotto]
"Die Geburt" von Giotto aus dem Jahr 1305
   
Vor Birgittas Vision und noch heute in den Bildern der Ostkirche war es meist nicht das Kind, das im Mittelpunkt der Darstellungen stand, sondern seine Mutter. Zum Beispiel in dem Bild "Die Geburt" von Giotto aus dem Jahr 1305: Hier liegt Maria als Gottesmutter in einer Hütte. Gedankenschwer hockt Joseph davor, als wisse er nicht, was er von der Geburt zu halten habe. "Dargestellt werden auch Ochs und Esel, die im Lukas-Evangelium nicht vorkommen. Der Künstler entlehnt dieses Motiv aus einer Prophezeiung aus dem Buch Habakuk des Alten Testaments", so Prof. Hoeps.

Nachhaltigen Einfluss auf unser heutiges Bild vom Weihnachtsgeschehen hat auch Franz von Assisi (1181 - 1226). Das Krippenbild war seine Erfindung. In einem Wald nahe seinem Kloster hat er mit anderen Mönchen die Geburtsszene in Form eines lebenden Standbildes nachgestellt. Ein Kind lag in der Krippe, die Mönche standen betend dabei. Auf diese Art wollte er dem Volk die Szene sehr nahe bringen.

Die Nähe zur Geburtsszene wirkt bis heute. Auch in der modernen Kunst ist die Weihnachtsdarstellung immer noch vom Mutter-Kind-Schema geprägt. "Für Weihnachten gibt es kaum Verfremdungen oder abstrakte Darstellungen, weil Weihnachten so stark emotional besetzt ist und das Geburtsmotiv so stark ist", berichtet Prof. Hoeps und zeigt ein Bild von Emil Nolde. Dort sind Maria, Josef, das Kind und ein Ochse dargestellt. Maria streckt das Kind zum Himmel, ein Stern scheint durch die Stalltür und auch der Ochse schaut zum Kind.

Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie, theologische Ästhetik und Bilddidaktik