Pressemitteilung upm

Sprache und Realität

Romanist Prof. Dr. Wolf Dietrich hält seine Abschiedsvorlesung

Münster (upm), 26. Januar 2006

Am Montag, 30. Januar 2006, um 16.15 Uhr hält Prof. Dr. Wolf Dietrich vom Romanischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität, der bereits am 9. Oktober 2005 seinen 65. Geburtstag feierte, seine Abschiedsvorlesung in der Aula des Schlosses über das Thema "Sprache und Realität. Wie wir mittels Syntax und Grammatik die Wirklichkeit erfassen".

Der in Mülheim/Ruhr geborene Sprachwissenschaftler studierte von 1961 bis 1967 Klassische und Romanische Philologie an den Universitäten Münster, Montpellier/Frankreich und Tübingen, wo er 1971 promoviert wurde. Zwei Jahre später erfolgte mit der Habilitation in Tübingen die Erteilung der akademischen Lehrbefugnis für Romanische Philologie. Nach einer Tätigkeit als Gastprofessor an der Universidad de Navarra in Pamplona/Spanien nahm er zum Wintersemester 1973/74 den Ruf auf einen Lehrstuhl für Romanische Philologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster an, wo er bis heute lehrt und forscht.

Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Forschungen sind außerordentlich breit gestreut und betreffen die Grammatik der romanischen Sprachen vor allem im Französischen, Spanischen, Portugiesischen, Italienischen und Rumänischen, dann auch zentrale Fragen der Syntax und Wortbildung. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die griechisch-romanischen Parallelentwicklungen und damit die Entwicklung einer Theorie des Vulgärgriechischen als Basis der neugriechischen Standardsprache und der Dialekte analog zum Vulgärlatein als Grundlage der romanischen Sprachen.

Zu der früher wenig bearbeiteten Variante des brasilianischen Portugiesisch verfasste er eine Bibliographie in Buchform mehrere wissenschaftliche Aufsätze. Seine Bemühungen wurden 2004 mit der Aufnahme als korrespondierendes Mitglied in die Academia Brasileira de Filologia (Rio de Janeiro) gewürdigt. Mit besonderem Engagement widmet er sich den südamerikanischen Indianersprachen. Bereits 1970 und 1981 und bei mehreren weiteren Forschungsaufenthalten erfasste und beschrieb er die Sprache der Chiriguano-Guaraní in Nordargentinien und Ostbolivien und stellte historisch-vergleichende und typologische Untersuchungen zur Sprachfamilie des Tupí-Guarani im südamerikanischen Tiefland an. Inzwischen zählt er zu den international renommierten Experten in diesem wichtigen Bereich linguistischer Forschung und Lehre.

In den letzten Jahren wandte sich Prof., Dietrich verstärkt der Erforschung von Kontaktphänomenen zwischen dem Guaraní und dem Spanischen in Paraguay und im angrenzenden Argentinien, sowie zwischen dem Guaraní und dem Portugiesischen im angrenzenden Brasilien zu. Ziel dieses auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützten Projektes ist die Erstellung eines Sprachatlasses, den er zusammen mit Prof. Dr. Harald Thun von der Universität Kiel und Mitarbeitern an beiden Universitäten erarbeitet.

Etwa 120 Publikationen machen nicht nur seine wissenschaftliche Breite, sondern auch seine vielfältigen umfassenden sprachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten deutlich. Die ganze Breite der romanischen Sprachen sowie ihre Verbindung zu den klassischen Sprachen sind ihm ein Anliegen in Forschung und Lehre. Die Einbeziehung weiterer Sprachen und Kulturen bedeutet für ihn Zugang zu den sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen überhaupt.

Nach seiner Berufung an die Universität Münster hat Prof. Dietrich gemeinsam mit seinem verstorbenen Kollegen Prof. Dr. Horst Geckeler die Linguistische Abteilung des Romanischen Seminars als eigenständige Abteilung aufgebaut und ihr durch die intensive Lehr- und Forschungstätigkeit einen herausragenden Platz in der internationalen Romanistik verschafft. Einem breiten Kreis von Studierenden und Lehrenden ist Wolf Dietrich auch durch die von ihm zusammen mit Horst Geckeler verfassten Einführungen in die französische und spanische Sprachwissenschaft bekannt, deren stetige Neuauflagen von dem gelungenen thematischen Konzept und der klar formulierten Vorstellung von Fakten und sprachtheoretischen Konzepten zeugen. In den 32 Jahren seiner akademischen Lehrtätigkeit am Romanischen Seminar der Universität Münster hat Prof. Dietrich ganze Generationen von Studierenden mit den Feinheiten der beschreibenden und historischen Aspekte der romanischen Sprachen, darunter besonders des Französischen, des Spanischen und des Italienischen vertraut gemacht und eine Reihe von Doktorarbeiten initiiert und betreut.

Als Koordinator im europäischen Austauschprogramm ERASMUS pflegte er intensive Kontakte zu den Universitäten Louvain-la-Neuve/Belgien, Valenciennes, Lille und Paris-Nanterre/Frankreich, Padua und Modena/Italien, Tarragona/Spanien, Porto und Coimbra/Portugal, sowie Iasi/Rumänien. Über viele Jahre betreute er eine große Zahl an deutschen und ausländischen Stipendiaten. Er war maßgeblich am Aufbau des Lateinamerikazentrums der Universität beteiligt, dessen Direktor er zur Zeit ist. Ferner war er mehrfach geschäftsführender Direktor des Romanischen Seminars, Dekan des ehemaligen Fachbereichs Romanistik und Slavistik und Mitglied im Konvent und im Senat der Universität Münster.

Romanisches Seminar der WWU