Pressemitteilung upm

Gentherapie senkt Gefahr einer Amputation

Münstersche Medizinerin stellt viel versprechende Ergebnisse europaweiter Studie vor

Münster (upm), 13. März 2006

[Nikol]
Prof. Dr. Sigrid Nikol
   

Wenn die Durchblutung der Beine chronisch gestört ist, droht in vielen Fällen die Amputation. Allein in Deutschland wird die Zahl der Menschen, denen als Folge der so genannten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ein Bein abgenommen werden muss, auf jährlich bis zu 35.000 geschätzt. Mit der weiteren Zunahme der Volkskrankheiten Arteriosklerose und Diabetes, die in der Regel die Hauptursachen der Durchblutungsstörungen darstellen, ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch die Zahl der Amputationen noch weiter steigen wird. Vor diesem Hintergrund gewinnen neue Strategien zur Behandlung der gemeinhin auch als "Raucherbein" bezeichneten Verschlusskrankheit besondere Bedeutung. Ein viel versprechender innovativer Ansatz ist dabei die Gentherapie. Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie, bei der durch Gentherapie die Bildung neuer Blutgefäße in den Beinen angeregt wurde, stellte Prof. Dr. Sigrid Nikol vom Universitätsklinikum Münster (UKM) am Sonntag, 12. März 2006, bei einem großen Herzkongress in den USA vor.

Bei der so genannten TALISMAN 201-Studie handelt sich um die weltweit erste Studie zur Überprüfung der Gentherapie bei Patienten mit schweren Durchblutungsstörungen der Beine, bei denen andere Behandlungsmöglichkeiten, wie eine Bypass-Operation oder eine Katheterbehandlung zur Aufsprengung verstopfter Gefäße, nicht in Frage kommen. Die Hoffnung, die in die Gentherapie gesetzt wurde, bestand darin, das Risiko einer drohenden Amputation zu verringern. Diese Hoffnung hat sich in hohem Maße erfüllt, wie Prof. Nikol bei dem Kongress vor über 30.000 Kardiologen im amerikanischen Atlanta berichtete. Das heißt, durch die Einschleusung eines Gens, das die Bildung neuer Blutgefäße auslösen kann, wurde die Gefäßneubildung tatsächlich stimuliert, die Durchblutung der Beine und damit auch die Sauerstoff-Versorgung des Organismus besserte sich nachhaltig und die Gefahr einer Amputation konnte dadurch signifikant reduziert werden. Die münstersche Medizinerin, die an der Medizinischen Klinik C des UKM eine Arbeitsgruppe für Molekulare Kardiologie und Angiologie leitet, geht davon aus, dass sich die Therapie gleichzeitig positiv auf die Überlebenschancen der Patienten auswirkt, indem die Gefahr eines bei schwerer chronischer Minderdurchblutung der Beine drohenden Herzinfarktes oder Schlaganfalls ebenfalls reduziert wird.

Bei der europaweiten TALISMAN (Therapeutic Angiogenesis Leg Ischemia Study for the Management of Arteriopathy and Non healing ulcers) -Studie handelt es sich um eine so genannte Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie. Das bedeutet, dass jeweils die Hälfte der Studienteilnehmer das "Gen-Medikament" und die andere Hälfte eine unwirksame Substanz erhielt. Als "Genfähre" mit der das Genprodukt in den Organismus geschleust wurde, diente bei dieser Studie ein Plasmid, das heißt ein kleines ringförmiges DNA-Molekül. Das die Gefäßbildung ankurbelnde Gen wurde in das Genom des Plasmids eingebaut und anschließend in die Beinmuskulatur gespritzt. Nach den ermutigenden Erfolgen der Gentherapie bei den insgesamt 107 Patienten, bei denen sie im Rahmen der Studie zum Einsatz kam, sollen die Ergebnisse jetzt in der so genannten Phase III-Studie an einer größeren Zahl von Patienten überprüft werden. Sollten sich die hohen Erwartungen weiter bestätigen, dürfte die Gentherapie eine schlagkräftige neue Perspektive bei der Behandlung einer lebensgefährlichen Volkskrankheit bieten, die betroffenen Patienten sowohl eine Amputation erspart, als auch ihr Risiko eines tödlichen Herzinfarktes oder Schlaganfalls nachhaltig reduziert.

Medizinische Klinik und Poliklinik C