Pressemitteilung upm

Prävention schenkt zusätzliche Lebensjahre

Epidemiologen untersuchten Ursachen und Strategien für Anstieg der Lebenserwartung in Deutschland

Münster (upm), 20. April 2006

Trotz hoher Leistungsfähigkeit der Medizin gehört Deutschland keineswegs zu den Weltmeistern hinsichtlich mittlerer Lebenserwartung von Männern und Frauen. So werden etwa die Bewohner von Island, dem Land mit der höchsten Lebenserwartung in Europa bei Männern, im Schnitt gut drei Jahre älter als Männer hier zu Lande. Dennoch haben sich die Aussichten auf ein langes Leben auch in Deutschland kontinuierlich verbessert, und zwar innerhalb von nur 22 Jahren (1980 bis 2002) bei Männern um 5,8 Jahre auf 75,6 und bei Frauen um 4,6 auf 81,3 Jahre. Um mit der internationalen Entwicklung hinsichtlich mittlerer Lebenserwartung Schritt zu halten, wird es nach Worten des münsterschen Epidemiologen und Sozialmediziners Prof. Dr. Ulrich Keil für Deutschland in hohem Maße darauf ankommen, der Prävention beziehungsweise einer gesunden Lebensweise noch mehr Beachtung zu schenken als dies bisher der Fall war.

Wie der Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Münster (UKM) und sein Ulmer Kollege Prof. Dr. Stephan Weiland, der bis 2001 am UKM tätig war, vor kurzem im Deutschen Ärzteblatt berichteten, ist die Zunahme der Lebenserwartung nämlich neben Fortschritten der Therapie vor allem auch auf eine gezielte Vorbeugung von Krankheiten zurückzuführen. Und hier sehen die beiden Wissenschaftler noch ein enormes Potenzial für eine weitere Verbesserung der Situation. Als gutes Beispiel hierfür führen sie den Rückgang der altersbedingten Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen an, der ihren Angaben zufolge übrigens der Hauptgrund dafür ist, dass die Menschen innerhalb des Untersuchungszeitraums im Schnitt immer älter geworden sind. "Wenn mehr Wert auf Prävention gelegt würde, könnte die Entwicklung noch deutlich besser sein", betont Keil mit Verweis auf eine unter seiner Federführung durchgeführte große Untersuchung, die so genannte MONICA-Studie. Die hatte nämlich ergeben, dass mindestens zwei Drittel aller Herzinfarkte durch die klassischen Risikofaktoren Rauchen, Bluthochdruck und erhöhte Fettwerte zu erklären sind. Das heißt: Wenn in Deutschland weniger geraucht wird und Blutdruck und Cholesterinspiegel unter Kontrolle gehalten werden, sinkt die Gefahr tödlicher Herzinfarkt und steigt damit die Lebenserwartung.

Bei der Untersuchung der Ursachen für die verbesserten Aussichten auf ein langes Leben haben Keil und Weiland übrigens herausgefunden, dass Fortschritte bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen eine geringere Rolle spielen. Sie folgen den Herz-Kreislauf-Erkrankungen erst mit großem Abstand auf Platz 2, während an dritter Stelle der Rückgang von Todesfällen durch äußere Ereignisse, wie beispielsweise Verkehrsunfälle, steht. Die Empfehlungen der beiden Experten im Hinblick auf eine nachhaltige Verbesserung der Prävention und damit auf einen weiteren Gewinn an Lebensjahren richten sich vor allem auch auf das Thema Rauchen: "Rauchen ist in Deutschland seit vielen Jahren der wichtigste Risikofaktor und für mehr als 110.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich". In Deutschland bestehe auf diesem Gebiet gerade auf politischer Ebene großer Handlungsbedarf.

Wenngleich die Epidemiologen einräumen, dass genetische und molekulare Forschung künftig eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Krankheiten und damit bei der weiteren Erhöhung der mittleren Lebenserwartung spielen werde, warnen sie doch vor zu enthusiastischen Erwartungen auf diesem Gebiet. Denn dies berge die Gefahr, dass die Prioritäten für die Gesundheitsforschung und -förderung verzerrt werden. "Die wichtigen chronischen Erkrankungen werden in der Regel durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und von Umweltfaktoren, wie zum Beispiel Fehlernährung, mangelnde körperliche Aktivität, Übergewicht, Rauchen und Alkohol verursacht", so Keil und Weiland. Wenngleich das Übergewicht in Deutschland noch keine so große Rolle spiele wie in den USA, so gibt ihnen die auffällig steigende Häufigkeit von Übergewicht bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen doch Anlass zur Befürchtung, dass sich dieser Risikofaktor auch hier zu Lande zunehmend zum Problem entwickeln könnte. Keil: "Die Entwicklung von wirksamen Präventions- und Therapiekonzepten zur Eindämmung der Übergewichtsepidemie ist für die kommenden Jahre immens wichtig."

Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin