Pressemitteilung upm

Aus dem Staub der Archive befreit

Gutenberg-Preis 2006 für münsterschen Zensurforscher Prof. Dr. Hubert Wolf

Münster (upm), 26. Juni 2006

[Gutenbergpreis]
Gutenberg-Preisträger Prof. Wolf (2.v.links) mit Rektor Prof. Schmidt, Kanzlerin Dr. Böhm, der designierten Rektorin Prof. Nelles und Fakultätsdekan Prof. Hoeps (von links nach rechts)
Foto: Frank Vollmer   

Der Gutenberg-Preis widmete sich in diesem Jahr erstmals der Erforschung von 450 Jahren Buchzensur in Europa. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft und der Stadt Mainz wurde am Wochenende im Mainzer Rathaus an den Zensurforscher und Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf von der Universität Münster vergeben.

Die Stadt Mainz und die Gutenberg-Gesellschaft würdigten mit der Preisverleihung die wissenschaftlichen Verdienste von Prof. Wolf im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Langzeitprojekts "Römische Inquisition und Indexkongregation". Mit seinen Forschungsarbeiten sei es Prof. Wolf und seinen Mitarbeitern in Münster gelungen, "400 Jahre Buch- und Kulturgeschichte aus dem Staub der Archive und gewachsenen Vorurteilen zu befreien und die Akten für die Medien-, Wissenschafts-, Literatur- und Geistesgeschichte der europäischen Neuzeit zu erschließen".

Überreicht wurde die Preisurkunde vom Mainzer Oberbürgermeister und Präsidenten der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft, Jens Beutel. Laudator war der bisherige Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom und bekannte Frühdruckforscher, Prof. Dr. Arnold Esch. Zu den ersten Gratulanten des diesjährigen Gutenberg-Preisträgers gehörten in Mainz auch Rektor Prof. Dr. Jürgen Schmidt, die designierte Rektorin Prof. Dr. Ursula Nelles, Fakultätsdekan Prof. Dr. Reinhard Hoeps und Kanzlerin Dr. Bettina Böhm von der Universität Münster.

Der 1959 in Wört/Ostalbkreis geborene Hubert Wolf gilt als einer der führenden Kirchenhistoriker Deutschlands. Bereits seit 1992 erforscht er mit Genehmigung des früheren Kardinals Ratzinger und heutigen Papstes Benedikt XVI. die vorher verschlossenen Archivbestände der römischen Inquisition und Indexkongregation. Im Zentrum des von Prof. Wolf geleiteten Projekts stehen "Bücher vor Gericht". Der Festakt im Mainzer Rathaus machte den engen Zusammenhang deutlich, der zwischen Gutenbergs Erfindung und Wolfs Forschungsarbeiten besteht: Die Erfindung des Buchdrucks und besonders sein gezielter medienpolitischer Einsatz in der Reformation verlieh der Zensur eine ganz neue Dimension. Die schnelle und weitreichende Verbreitung von Wissen in Form gedruckter Bücher machte Ideen plötzlich hunderttausendfach reproduzierbar. 1542 reagierte Papst Paul III. auf diese Herausforderung mit Gründung der Inquisition, aus der 1571 die Indexkongregation als Kontrolleinrichtung für den explodierenden Buchmarkt hervorging.

Wie Prof. Wolf in sein Dankesrede in Mainz am Beispiel von "Onkel Toms Hütte" deutlich machte, kamen jedoch längst nicht alle Bücher, die in der mehr als 400 Jahre dauernden Arbeit dieser vatikanischen Institutionen denunziert wurden, auch wirklich auf den berühmt-berüchtigten Index der verbotenen Bücher. Prof. Wolf: "Die Geschichte des Index gehört sicherlich zu den dunkelsten Kapiteln der Kirchengeschichte. Aber nicht jedes Buch, das in Rom angezeigt wurde, landete auch auf der schwarzen Liste. Vernünftige Konsultoren konnten zwischen Gut und Böse, zwischen Nützlich und Gefährlich durchaus unterscheiden".

Gutenberg-Gesellschaft