Pressemitteilung upm

Philosoph hinterließ 15.000 Briefe

50 Jahre Leibniz-Forschungsstelle an der WWU Münster

Münster (upm), 26. Juli 2006

[Leibniz]
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), seine philosophischen Schriften und Briefe, stehen seit 50 Jahren im Zentrum der Arbeit der Leibniz-Forschungsstelle Münster.
   

Die Leibniz-Forschungsstelle der Westfälischen Wilhelms-Universität wird 50 Jahre alt. Seit einem halben Jahrhundert werden in Münster in chronologischer Folge die philosophischen Schriften und Briefe von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) im Rahmen der zu Anfang des letzten Jahrhunderts begründeten historisch-kritischen Leibniz-Akademieausgabe herausgegeben. Die münstersche Forschungsstelle erschließt damit neben drei weiteren Arbeitsstellen in Hannover, Potsdam und Berlin einen der größten Nachlässe der Geistesgeschichte.

Der glückliche Umstand, dass fast der gesamte handschriftliche Nachlass von Leibniz erhalten geblieben ist, macht es möglich, die Gedanken des Universalgelehrten bis zu ihrer Entstehung zu verfolgen. Für Prof. Dr. Martin Schneider wird damit die Arbeit an der Edition aber auch zu einer "besonders mühsamen und akribischen Aufgabe", die den Wissenschaftlern neben Sprachkompetenz auch "detektivische Fähigkeiten" bei der Texterstellung der überwiegend in Latein und Französisch geschriebenen Texte abverlange.

Insgesamt sind bisher acht, teilweise über 1000 Seiten starke Bände erschienen, eine beachtliche Leistung angesichts der schwierigen Aufgabe und der begrenzten Zahl von zur Zeit drei wissenschaftlichen Mitarbeitern. Sieben der acht vorliegenden Bände enthalten die philosophischen Schriften von 1663 bis 1690 sowie im Vorgriff eine wichtige, sich mit Locke auseinander setzende Schrift aus den Jahren 1703 bis 1705. Rechtzeitig zum Jubiläum ist ein weiterer Band erschienen, die Neuauflage des bislang einzigen Briefbandes der philosophischen Korrespondenz von Leibniz aus den Jahren 1663 bis 1685. Dieser Band, dessen erste Auflage 1926 als reine Textausgabe erschienen war, liegt nun in erweiterter und vollständig neu bearbeiteter Auflage vor und erfüllt alle wissenschaftlichen Ansprüche.

Gerade dieser Briefband ist für Prof. Schneider von besonderem Interesse, "weil hier der junge Leibniz - der am Ende seines Lebens auf 15.000 Briefe mit 1.100 Briefpartnern zurückblicken kann - die ersten Beziehungen zu berühmten Persönlichkeiten seiner Zeit knüpft". Auch der sich zeitlich anschließende zweite Briefband über die Korrespondenz zwischen 1686 und 1694 soll noch im laufenden Jubiläumsjahr abgeschlossen werden. Dieser Band wird unter anderem den wichtigen Briefwechsel von Leibniz mit dem Theologen Arnauld über seine "Metaphysische Abhandlung" führte.

2006 verspricht damit ein besonders erfolgreiches Jahr in der Geschichte der Leibniz-Forschungsstelle in Münster zu werden, die 1956 von Prof. Dr. Erich Hochstetter als Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität gegründet wurde. Nach Hochstetters Tod übernahm Prof. Dr. Heinrich Schepers 1969 die Leitung und behielt sie auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1990 kommissarisch bis 1997, als Prof. Dr. Thomas Leinkauf ihm nachfolgte und Prof. Dr. Martin Schneider die Leitung der Edition übernahm. Das lange Zeit überwiegend aus Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen finanzierte Projekt wurde 1988 als Langzeitvorhaben in das Akademienprogramm aufgenommen und wird seitdem von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen finanziert.

Die Leibniz-Forschungsstelle wird ihr 50jähriges Bestehen am 5. und 6. Oktober in Münster mit einer Festveranstaltung und einem Kolloquium feiern. Dabei wird Prof. Dr. Hans Poser (Berlin) dem langjährigen Leiter Prof. Dr. Heinrich Schepers nachträglich zur Vollendung seines 80. Lebensjahres in einem abendlichen Festvortrag über "Leibniz' dreifaches Freiheitsproblem" die Ehre erweisen.

Leibniz-Forschungsstelle an der WWU Münster