Pressemitteilung upm

Langes Warten auf ein Spenderherz

Über 200 Kunstherz-Implantationen am UKM /Transplantation eines Tages überflüssig?

Münster (upm), 27. Juli 2006

[Kunstherz]
Am UKM werden derzeit zwei Kunstherz-Systeme implantiert, das Excor (l.) und das doppelt so teure Incor.
   

Rund 400 schwerst herzkranke Menschen in Deutschland erleben alljährlich durch die Transplantation eines Spenderorgans so etwas wie einen zweiten Geburtstag. Dass die Zahl nicht weit höher ist, liegt an dem eklatanten Mangel an Spenderorganen. Nach Angaben der Stiftung Eurotransplant waren 2005 bundesweit an die 770 Herzkranke auf der Warteliste für ein neues Organ vermerkt, also fast doppelt so viele Menschen, wie im Schnitt pro Jahr transplantiert werden können. Durch den Einsatz eines Kunstherzens kann allerdings die länger werdende Zeit bis zur Transplantation heute in der Regel auch über eine längere Phase gut überbrückt werden. Am Universitätsklinikum Münster (UKM) werden gegenwärtig im Schnitt rund 20 Patienten pro Jahr mit einem entsprechenden System versorgt, die längste Überbrückungszeit lag dabei bislang bei weit über zwei Jahren.

Nach Angaben von Prof. Dr. Hans H. Scheld, Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie des UKM, wurden am Uni-Klinikum in Münster seit 1993 über 200 Implantationen bei Patienten durchgeführt, die sonst unweigerlich gestorben wären. Am UKM kommen gegenwärtig zwei verschiedene Kunstherz-Systeme von der Firma Berlin Heart zum Einsatz: Beim so genannten EXCOR, das es in verschiedenen Größen gibt und daher auch bei kleinen Kindern einsetzbar ist, befinden sich ein oder zwei Blutpumpen - je nachdem ob nur die linke oder auch die rechte Herzkammer entlastet wird - außerhalb des Körpers unterhalb des Rippenbogens und werden über Kanülen mit dem Herzen verbunden. Antriebsgerät und Akkus führt der Patient auf einem kleinen Wägelchen mit sich. Der Patient kann sich mit dem Kunstherz frei bewegen, muss sich jedoch zunächst einmal an das permanente "Schnaufen" des Antriebsgeräts gewöhnen. Kaum zu hören ist hingegen das mit zirka 60.000 Euro doppelt so teure INCOR, bei dem die ungleich kleinere, ausschließlich die linke Herzkammer unterstützende Turbine in Herznähe direkt im Herzbeutel implantiert wird und sich nur das - ebenfalls deutlich weniger voluminöse - Steuergerät außerhalb des Körpers befindet und vom Patienten in einer Schultertasche mit sich getragen wird.

Gegenüber voll implantierbaren Systemen, die es heute auch schon auf dem Markt gibt, haben die Mediziner am UKM noch Vorbehalte. Sie verweisen dabei auf die Gefahr von Infektionen, da alle Fremdmaterialien neben dem Kunstherz, wie Steuereinheit und Batterien komplett im Körper implantiert werden müssen. Neben der Bekämpfung von Infektionen ist vor allem die Verhinderung von Blutgerinnseln, die generell ein großes Problem bei der Kunstherz-Behandlung darstellen, ein wichtiger Forschungsschwerpunkt der Klinik in Münster. Neben diesen medizinischen Aspekten legt Klinikchef Scheld aber gleichermaßen sehr großen Wert auf eine umfassende fachpsychologische Betreuung sowohl der Patienten als auch ihrer Angehörigen.

Während die Medizintechnik auf der einen Seite an immer ausgefeilteren und eleganteren Kunstherz-Systemen arbeitet, denkt Dr. Stefan Klotz von der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie des UKM schon einen Schritt weiter beziehungsweise in eine ganz andere Richtung. Und zwar geht der junge Assistenzarzt, der für seine Forschungsarbeiten im Juni 2006 mit dem Nachwuchspreis des Förderkreises der Universität Münster ausgezeichnet wurde, der Frage nach, wie sich im Zuge der Kunstherz-Behandlung eine so weitreichende Erholung des eigenen Herzens erreichen lässt, dass es wieder allein aus eigener Kraft arbeiten kann. Dann nämlich könnte das Kunstherz wieder ausgebaut werden, ohne dass überhaupt noch eine Transplantation erforderlich ist.

Sollten sich die Erwartungen der Forschungsarbeiten des jungen Mediziners bestätigen und das Kunstherz künftig tatsächlich wieder ausgebaut werden können, ohne dass unverzüglich eine Transplantation erforderlich ist, so wäre dies nicht nur im Hinblick auf den großen Mangel an Spenderorganen ein immenser Fortschritt. Denn eine Transplantation kann zwar über viele Jahre wieder ein Leben mit hoher Lebensqualität bedeuten, ist aber hinsichtlich des langfristigen Erfolgs dieser Behandlung noch begrenzt. So liegt die Ein-Jahres-Überlebensrate eines verpflanzten Herzens bei 80 Prozent, die Zehn-Jahres-Rate indes bei 50 Prozent. Dies ist jedoch laut Prof. Scheld im Vergleich mit vielen anderen Therapieverfahren in der Medizin das beste Ergebnis, das bis heute für die Herzmuskelschwäche erzielt werden kann. Trotzdem bedeuten alle Strategien, diesen Eingriff überflüssig zu machen, und sei es auch nur für eine begrenzte Zeit, gewonnene Lebenszeit.

Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie