Pressemitteilung upm

Kinderseelen in akuter Notlage

Mit Eröffnung einer Intensivstation übernimmt Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKM Pflichtversorgung für junge Patienten

Münster (upm), 25. September 2006

Seelische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. Da die Bettenkapazitäten in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Münster (UKM) indes mit diesem enormen Zuwachs an Patientenzahlen in keiner Weise Schritt gehalten haben, müssen die Betroffenen in der Regel sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Zumindest in akuten Krisen- und Notfällen muss laut Gesetz jedoch eine unverzügliche Aufnahme der nicht selten suizidgefährdeten jungen Patienten gewährleistet sein. Mit der Eröffnung einer geschützten Intensivstation mit insgesamt elf Betten sind in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Münster (UKM) jetzt die Voraussetzungen für diese so genannte Pflichtversorgung junger Patienten aus der Stadt Münster und dem Kreis Steinfurt geschaffen worden.  

Die offiziellen Übergabe der neuen Station am 27. September 2006 bildet zugleich den Abschluss der langjährigen Umbau- und Sanierungsphase der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Umbau des Gebäudes an der Schmeddingstraße erfolgte in drei Schritten, wobei zunächst eine Tagesklinik für Säuglinge, Klein- und Vorschulkinder entstand, als nächstes die beiden Normalstationen völlig neu gestaltet wurden und jetzt endlich auch die Intensivstation eröffnet wird. Damit ist die Klinik heute auch von der baulichen Konzeption her mit ihren hellen und lichtdurchfluteten Räumen eine moderne Einrichtung, die allen Ansprüchen an eine zeitgemäße kind- und jugendgerechte psychiatrische Patientenversorgung gerecht wird. Das gesamte Spektrum seelischer Störungen - von Essstörungen und Hyperaktivität über Depressionen und Schlafstörungen bis hin zu Zwangserkrankungen und schwersten suizidalen Krisen - kann hier jetzt unter den neuen baulichen Rahmenbedingungen von einem multiprofessionellen Team um Klinikdirektor Prof. Dr. Tilman Fürniss optimal diagnostiziert und behandelt werden.  

Bei aller Freude über die Eröffnung der seit langem geplanten Intensivstation und die damit verbundene Übernahme der Pflichtversorgung weist Fürniss jedoch mit großem Nachdruck darauf hin, dass im Hinblick auf eine allgemeine kinder- und jugendpsychiatrische Vollversorgung junger Patienten in dieser Region noch großer Handlungsbedarf bestehe. Zwar habe es jetzt bei der Notfall-Behandlung eine Entspannung gegeben, so dass Eltern ihre in akuten Krisen befindlichen Kinder nicht mehr in weit entfernte Kliniken bringen müssen. Für einen Großteil der akut psychiatrisch kranken Kinder und Jugendlichen in Münster und im Kreis Steinfurt sei eine wohnortnahe stationäre Versorgung aber nach wie vor nicht gegeben. Denn für die allgemeine kinderpsychiatrische Vollversorgung reichen die nunmehr insgesamt 29 Betten der Klinik in Münster bei weitem nicht aus, wie deren Direktor nicht zuletzt mit Blick auf die bereits jetzt bestehenden drei- bis sechsmonatigen Wartezeiten und weiter steigenden Patientenzahlen hervorhebt.  

Das heißt, die stationäre Behandlung von Kindern mit zum Teil lebensgefährlichen oder -gefährdenden kinderpsychiatrischen Erkrankungen muss wegen fehlender Bettenkapazitäten an der Uni-Klinik in Münster in 60 bis 80 Kilometer vom Wohnort entfernt liegenden Kliniken erfolgen. Für die psychiatrisch kranken jungen Patienten, bei denen die Verweildauer im Krankenhaus meistens um ein Vielfaches länger ist als bei organisch erkrankten Kindern, und für ihre Familien stellt die weite Entfernung vom vertrauten Lebenskreis damit eine nicht unerhebliches zusätzliche Belastung dar. Zudem ist gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine enge Vernetzung mit Kindergärten, Schulen, niedergelassenen Ärzten, Therapeuten und anderen Berufsgruppen Grundvoraussetzung für eine moderne und ganzheitliche Krankenversorgung.  

Um junge Patienten aus der Region künftig wohnortnah zu behandeln, ohne dass sie dafür lange Wartezeiten und weite Wege in wohnortferne Krankenhäuser in Kauf nehmen müssen, müsste die Bettenzahl der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie deutlich um 40 Betten und je eine Tagesklinik im östlichen Kreis Steinfurt und in Münster erhöht werden. Denn für jeden Behandlungsplatz stehen derzeit ein bis zwei Kinder auf der Warteliste. Die gleiche Zahl von Kindern und Jugendlichen muss aus Kapazitätsgründen von vorneherein abgewiesen werden.  

Darüber hinaus liegen laut Fürniss viele seelisch kranke junge Patienten aus Steinfurt und Münster in fachfremden Abteilungen von Krankenhäusern, die keine fachärztliche kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Therapie durchführen können. Beim Ausbau der Bettenkapazitäten sind dem UKM jedoch vorerst die Hände gebunden. Denn die Entscheidung über die im Interesse der kleinen Patienten nachdrücklich geforderte Aufstockung liegt bei der Landespolitik in Düsseldorf beziehungsweise beim NRW-Gesundheitsministerium, denn dort wird der Landesbettenplan erstellt. Fürniss: "Man bürdet uns bei zu geringen Mitteln eine große rechtliche Verantwortung auf. Die konkreten Bedarfszahlen und die Wartezeiten sprechen eine unübersehbar eindeutige Sprache. Daher sind wir hinsichtlich der Aufstockung zuversichtlich."  

 

 

 

Kinder- und Jugendpsychiatrie