Pressemitteilung upm

Lebensgefährlicher Irrtum

Fehlerhafter Bericht gefährdet erfolgreiche Arbeit des Knochenmarktransplantationszentrums

Münster (upm), 20. September 2006

Soll schwer kranken Patienten aufgrund eines fehlerhaften Berichts und fehlgeleitetem Sparwillen der Krankenkassen künftig eine lebensrettende Knochenmarktransplantation verwehrt werden? Dagegen wehren sich die Onkologen und Hämatologen des Knochenmarktransplantationszentrums Münster (KMT) ganz vehement. Wie weitere 40 Fachkollegen, die Ende August zu einer Expertenanhörung nach Bonn eingeladen waren, werfen sie den Mitarbeitern des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gravierende inhaltliche und methodische Mängel der Vorberichte zur Knochenmark- beziehungsweise Stammzelltransplantation bei akuten Leukämien und schweren aplastischen Anämien vor. Das IWiG hatte in den kürzlich veröffentlichten Vorberichten behauptet, es gebe keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von Stammzelltransplantationen bei Erwachsenen mit bestimmten Formen der Leukämie und bei schwerer aplastischer Anämie und damit die Erstattungsfähigkeit dieser Leistungen durch die Krankenkassen in Frage gestellt.  

Während das IQWiG im Anschluss an die Expertenanhörung Ende August eine grundsätzliche Überarbeitung ihres Berichtes bezüglich der Behandlung von Leukämien angekündigt hat, hält es die Behauptungen zur schweren aplastischen Anämie noch aufrecht. Bei der schweren aplastischen Anämie (SAA) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper des Patienten selbst nicht mehr in der Lage ist, in ausreichendem Maße Blutplättchen sowie rote und weißen Blutkörperche zu bilden. Wenn es keinen Stammzellspender in der Familie gibt, werden die Patienten mit einer die Abwehr schwächenden (immunsuppressiven) Therapie behandelt. Eine Transplantation von Stammzellen eines Fremdspenders wird erst in Erwägung gezogen, wenn die Standardtherapie versagt oder ein Rückfall eintritt. Dann ist sie die einzige bleibende Behandlungsmöglichkeit, mit der 60 Prozent der lebensbedrohlich Erkrankten geheilt werden können.  

Eine Fremdspender-Stammzelltransplantation bei Erwachsenen sei bei SAA außerhalb von Studien generell abzulehnen, so das IWiG. Das Institut widerspricht damit dem weltweiten Standard und nimmt Patienten bei einem Versagen der Standardtherapie oder einem Rückfall die einzige Behandlungsmöglichkeit. Das IQWiG wurde im Zuge der Gesundheitsreform des Jahres 2003 gegründet. Die Stiftung wird hauptsächlich aus den Beiträgen der gesetzlichen Krankenkassen finanziert und soll wissenschaftliche Bewertungen des medizinischen Nutzens, der Qualität und insbesondere der Wirtschaftlichkeit von Leistungen vornehmen.  

"Der IQWiG-Bericht verkennt völlig, dass es gar nicht um die Frage geht, ob die Fremdspendertransplantation eine Alternative zu anderen Behandlungsverfahren darstellt", betont Prof. Dr. Joachim Kienast, Leitender Oberarzt im KMT-Zentrum. "Erst wenn eine medikamentöse Therapie nicht greift, kommt eine Stammzelltransplantation als lebensrettende Maßnahme überhaupt in Betracht. Darin stimmen wir mit den Empfehlungen vieler internationaler Experten und Fachgesellschaften überein." Die schwere aplastische Anämie ist eine sehr seltene Erkrankung. Von einer Million Einwohner erkranken in Deutschland jährlich lediglich ein bis zwei daran. In Münster wurden bislang zwei Patienten im Alter von 23 und 25 Jahren nach Versagen der konventionellen immunsuppressiven Therapie Stammzellen von Fremdspendern transplantiert. In beiden Fällen war seit der Erstdiagnose mehr als ein Jahr vergangen. Nach einem Zeitraum von über vier Jahren beziehungsweise elf Monaten nach der Transplantation befinden sich beide Patienten in einem sehr guten gesundheitlichen Zustand und bedürfen keinerlei unterstützender Therapien mehr. Ohne Stammzelltransplantation wären sie extrem infektions- oder blutungsgefährdet und abhängig von regelmäßigen Bluttransfusionen, denen sie sich sonst bis zu zweimal wöchentlich unterziehen müssten. Der zuerst transplantierte Patient ist bereits seit mehr als zwei Jahren wieder voll beruflich eingegliedert. Bei dem zweiten Patienten wird dies Anfang 2007 der Fall sein.  

 

Knochenmarktransplantationszentrum Münster