Pressemitteilung upm

"Einheit in Vielfalt"

Frankreichs höchster Richter zu Gast in Münster

Münster (upm), 24. Oktober 2006

Guy Canivet zu Gast in Münster
Prof. Dr. Reiner Schulze (links) und Bürgermeisterin Wendela-Beate Vilhjalmsson begrüßen Guy Canivet (rechts) in der Rüstkammer des Stadtweinhauses. Foto: Zeeh

In dieser Woche besuchte Guy Canivet, seit 1999 Präsident des höchsten Zivil- und Strafgerichts Frankreichs, des Cour de cassation in Paris, Münster und seine Universität. Canivet, bei seiner Ernennung mit 55 Jahren der jüngste Präsident in der Geschichte des Gerichts, war in den vergangenen Monaten insbesondere aufgrund seiner Debatten mit dem französischen Innenminister Nicholas Sarkozy hinsichtlich der Unruhen in den Pariser Vororten im Oktober und November 2005 und der - nach Meinung Sarkozys - zu milden Strafen für die Täter immer wieder in den Medien vertreten.  

Nach der Begrüßung durch die Bürgermeisterin der Stadt Münster, Wendela-Beate Vilhjalmsson, und den Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU Münster, Prof. Dr. Reiner Schulze, hielt Canivet in der Rüstkammer des Stadtweinhauses vor mehr als hundert interessierten Studierenden und geladenen Gästen einen Vortrag zum Thema "Aspekte der justiziellen Organisation der Europäischen Union: Zum Verhältnis der obersten Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs".  

Dabei stellte er die Unterschiede zwischen den nationalen höchsten Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) heraus, die sich aus der unterschiedlichen Entwicklung juristischer Traditionen ergeben haben. Oft ständen die obersten Gerichte an der Spitze spezialisierter Gerichtszweige, wohingegen der EuGH eine umfassende Zuständigkeit besitze. Auch hätten einige höchste nationale Gerichte eher Kontrollfunktionen gegenüber den unteren Gerichten, während andere eine eher normative Rolle einnehmen würden. Konsequenz dieser vielen nationalen Unterschiede sei, so Canivet, dass das Verhältnis der nationalen obersten Gerichte und des EuGH unter der Devise der Europäischen Union stehe: "Einheit in Vielfalt".  

Canivet, der außerdem Präsident der "Vereinigung der Präsidenten der Obersten Gerichte der EU" ist, kam zu dem Ergebnis, dass eine eingehende Reflexion der zukünftigen Strukturierung der europäischen Judikative unumgänglich sei. Zunehmend seien gesellschaftlich kontroverse Entscheidungen zu treffen, und auch die Legitimität des EuGH werde dabei zunehmend in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang forderte er zu einem ausgeprägten Dialog zwischen den europäischen Juristen auf.