Pressemitteilung upm

Ein Koloss auf großer Fahrt

Wissenschaftler der WWU an Bau des größten Extremhochvakuumtanks beteiligt

Münster (upm), 27. November 2006

Tank
Nach 8.800 Kilometern fast am Ziel: der Hochvakuumtank bei Rheinkilometer 482 in der Nähe von Mainz Foto: J. Bonn

Im Forschungszentrum Karlsruhe entsteht zurzeit mit KATRIN (KArlsruher TRItium Neutrino Experiment) die präziseste Waage der Welt für Neutrinos. Daran beteiligt ist auch Prof. Dr. Christian Weinheimer vom Institut für Kernphysik der Universität Münster. Er freut sich auf einen ganz besonderen Moment: Am Mittwoch (29. November) wird das Kernstück der Anlage, ein Extremhochvakuumtank, in Karlsruhe in seine endgültige Position gehoben. Der Koloss mit einer Länge von 23,3 Metern und einem Durchmesser von zehn Metern musste zwar theoretisch nur die 400 Kilometer lange Strecke vom badischen Degendorf nach Karlsruhe zurücklegen, praktisch aber war er rund 8.800 Kilometer unterwegs, weil er wegen seiner enormen Dimensionen nur auf dem Wasser transportiert werden konnte.  

So ging das Spektrometer auf eine Reise rund um Europa: Auf der Donau wurde es zum Schwarzen Meer transportiert, dort umgeladen und per Hochseeschiff über Bosporus, Mittelmeer, Gibraltar, Atlantik und Nordsee nach Antwerpen gebracht. Nach erneutem Umladen fuhr das Spektrometer dann per Rheinschiff nach Eggenstein-Leopoldshafen. Die größte logistische Herausforderung ist die letzte Etappe vom Hafen zum Forschungszentrum Karlsruhe mit dem Tieflader. Am 29. November wird der größte Kran Europas dann den 200 Tonnen schweren Behälter in seine endgültige Position heben.  

Nachgewiesen wurden Neutrinos, deren Masse mit nie gekannter Präzision durch KATRIN gemessen werden soll, erstmals 1956. Größtenteils kosmischen Ursprungs, wird ihnen eine grundlegende Rolle bei der Entstehung des Universums zugeschrieben. "Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Neutrinos keine Masse haben", sagt Weinheimer. "Inzwischen konnte man nachweisen, dass sie sehr wohl ein Gewicht haben." Da Neutrinos so häufig sind, ist ihre Masse von entscheidender Bedeutung, um zu verstehen, wie das Universum entstanden ist und was es zusammenhält. "Zwei Drittel des Universums bestehen aus so genannter Dunkler Energie, rund ein Drittel aus der so genannten Dunklen Materie, zu denen auch die Neutrinos gehören", so Weinheimer. Direkt wiegen lassen sich die Neutrinos, die praktisch alles im All ohne Energieverlust durchdringen, nicht. Bei den bisherigen Experimenten konnte man durch die Umwandlung von Neutrinos zwar Unterschiede in der Masse feststellen, aber nicht das absolute Gewicht. Mit KATRIN soll sich das ändern.  

Weinheimers Arbeitsgruppe ist dafür verantwortlich, dass das elektronenmagnetische Design von KATRIN mit über 30 supraleitenden Magneten und zwei Spektrometern stimmt. Noch schwieriger ist es, die immer gleiche Spannung zu halten. Zur Eichung vermessen die münsterschen Wissenschaftler Elektronen, deren Spannung immer auf dem gleichen Level bleibt. Kein Voltmesser auf der Welt kann 18600 Volt messen, deshalb wird am Institut ein Präzisionsspannungsteiler entwickelt. Die Gefahr, dass der Elektronenstrom aus dem Tritiumzerfall durch andere Elektronen verunreinigt wird, ist sehr hoch. Deshalb entwirft Weinheimer mit seiner Gruppe feine Drahtgitter, die das verhindern sollen. "Wegen der Hochspannung und des Vakuums ist das allerdings keine triviale Aufgabe", so Weinheimer. Erste Messungen im Ernstfall mit KATRIN sind für das Jahr 2010 zu erwarten.  

Arbeitsgruppe Prof. Weinheimer