Pressemitteilung upm

Die Geburt der Götter

Linguist der WWU weist Verwandtschaft zwischen indogermanischen und griechischen Göttern nach

Münster (upm), 12. Februar 2007

Die griechischen Götter sind nicht einfach vom Olymp herabgestiegen, sondern Ergebnis historischer Entwicklungen. Sie tragen Züge und Charaktereigenschaften älterer Götter, die teilweise in ihnen aufgegangen sind, teilweise sich neben ihnen weiterentwickelt haben. Der Indogermanist Prof. Dr. Michael Janda von der Universität Münster untersucht den Einfluss der indogermanischen Göttervorstellungen auf die griechischen Nachfolger.  

Er arbeitet dabei auf einer linguistischen Ebene. Für die indogermanischen Götter gibt es allerdings keine schriftlichen Überlieferungen. "Wir können die indogermanische Sprache nur rekonstruieren, wenn man ihre Nachkommen vergleicht", erklärt Janda. Vor allem bei den indischen Göttern ist er fündig geworden. Wie ein Geologe, der in unterschiedlichen Gesteinsschichten anhand von Leitfossilien den Ablauf der Erdgeschichte rekonstruieren kann, so nutzt Janda sprachliche Veränderungen, um Beziehungen zwischen den Göttern sichtbar zu machen.  

Im dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung spalteten sich die indogermanischen Sprachgruppen durch eine Völkerwanderung auf. Um diese Zeit, so vermutet Janda, entstanden auch Götter mit einem menschlichen Antlitz, nicht erst um 800 vor Christus, wie bislang vermutet. Die frühesten schriftlichen Überlieferungen sind zum einen die Rigveda-Hymnen aus der Zeit um 1200 vor Christus, zum anderen die Homerischen Epen, geschrieben wahrscheinlich um 800 vor Christus. Die einzelnen Stämme brachten ihre alten Göttervorstellungen in die neue Heimat und passten sie an die neuen Einflüsse an. Dabei wandelten sich nicht nur die Namen, wie vom indogermanischen Djeus pater einerseits zum altindischen Dyaus pitar, andererseits zum römischen Jupiter und zum griechischen Zeus pater, die alle die Bedeutung "Vater des Himmels" tragen. Der patriarchalisch geprägte Götterhimmel der Indogermanen, in dem eine mächtige Göttin wie Ausos, die "Morgenröte" eher die Ausnahme war, setzte sich auf dem vom Zeus beherrschten Olymp fort, auf dem allerdings die Frauen eine wichtigere Rolle spielten.  

Oft verselbständigten sich die Beiwörter der Götter, wie das moderne Beispiel Madonna für Maria, die Mutter Gottes, belegt. Ein besonders prägnantes Exempel sind die römischen Göttinnen Venus und Aurora und ihre griechischen Kolleginnen Aphrodite und Eos, die eine für die Liebe, die andere für die Morgenröte zuständig. Die altindische Göttin der Morgenröte Uschas wurde stets als junge, verführerische Frau geschildert, die in ihren Verehrern, "vanas" - "Verlangen" -, weckt, lautlich der Venus verwandt. Uschas heisst auch "brhati", "hocherhaben", was im keltischen Irisch der Brigid entspricht. Ein besonderes Merkmal dieser Heiligen ist, dass sie der Überlieferung nach in der Morgendämmerung geboren wurde.  

"Sprache enthält in einzelnen Wörtern kostbare Artefakte, so wie der Bernstein die Fliege umfängt", veranschaulicht Janda seine Vorgehensweise. So zeige sich beispielsweise die uralte Vorstellung von einer magischen Gebundenheit, von einem Glauben an allmächtige Götter noch heute in Redewendungen wie "in etwas verstrickt sein", "von etwas gefesselt werden". Die archaischen Wurzeln unserer heutigen, christlich geprägten Kultur untersucht Janda in seinem neuesten Projekt. Dionysos, der griechische Gott des Weins und Genusses, findet sein Pendant in Indra, der in der frühhinduistischen, vedischen Religion der Herr des Himmels ist. Beiden ist in der mythologischen Überlieferung gemeinsam, dass sie an einen Baum gehängt wurden - so wie der Sohn des späteren Himmelsvaters, Jesus von Nazareth.  

Institut für Indogermanistische Sprachwissenschaft