Pressemitteilung upm

Plötzlicher Herztod: UKM-Forscher wollen das Rätsel lösen

Dr. Paulus Kirchhof erklärt den Forschungsansatz

Münster (upm), 22. Februar 2007

Zwei Patienten erleiden einen Herzinfarkt. Bei dem einen tritt eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung auf, beim anderen nicht. Warum ist das so? Mit der Beantwortung solcher Fragen beschäftigt sich die "translationale Forschung" (Translation = Übersetzung). Sie ist ein Arbeitsschwerpunkt von Privatdozent Dr. Paulus Kirchhof, Oberarzt der Klinik und Poliklinik C (Kardiologie und Angiologie) des Universitätsklinikums Münster (UKM). "Wir beginnen aus Beobachtungen bei Patienten und aus Tiermodellen zu begreifen, dass ein enges Zusammenspiel zwischen zellulären Defekten und Umweltfaktoren besteht." Durch dieses Zusammenspiel können dann z.B. gefährliche Herzrhythmusstörungen entstehen. Die translationale Forschung versucht, dieses Zusammenspiel von molekularen Faktoren und Umweltfaktoren besser zu begreifen.  

Um mehr über dieses Zusammenspiel zu erfahren, führt Kirchhof häufig Experimente durch. Von denen er auch am "Tag der Gesundheitsforschung" (25. Februar) erzählt. Der bundesweit organisierte Aktionstag beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem Herzen. Von 14 bis 18 Uhr lädt das UKM in das Zentralklinikum an der Albert-Schweitzer-Straße 33 ein, um zu zeigen, wie spannend die Forschung in der Herz-Kreislauf-Medizin ist. Sie ist eine von fünf Behandlungs- und Forschungsschwerpunkten am UKM. Ärzte und Wissenschaftler verschiedener medizinischer Fachdisziplinen haben sich für den "Tag der Gesundheitsforschung" zusammengeschlossen, um Patientinnen und Patienten sowie Interessierten einmal exklusiv ihre Arbeit mit Vorträgen, Vorführungen und Experimenten zu erklären.  

Ein translationales Forschungsthema von Kirchhof ist der plötzliche Herztod. "Der ist in vieler Hinsicht noch ungelöst", sagt der Forscher. Einer von 1000 Menschen erleidet ihn jedes Jahr: Zwar könnten mittlerweile bei einem Drittel der Risikopatienten das Risiko des plötzlichen Herztods vorausgesagt werden. Das Risiko für die restlichen Zweidrittel könnten mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden jedoch nicht vorhergesagt werden - mit fatalen Folgen, denn das erste Ereignis ist oft schon tödlich. "Diesem Rätsel können wir nur mit Experimenten auf die Schliche kommen", erzählt Kirchhof.  

Besonders hervorheben wird der Mediziner am "Tag der Gesundheitsforschung" die "Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie" (ARVC). Was sich anhört wie ein Zungenbrecher, hat zuletzt vor einigen Jahren Furore gemacht: Während eines Fußballnationalspiels brach ein Spieler tot auf dem Platz zusammen. "Wir gehen davon aus, dass der Mann an der ARVC litt. Wir wissen, dass das die häufigste Todesursache bei jungen Männern ist", so Kirchhof. Sehr häufig trifft es Ausdauersportler.  

Die Münsteraner Gruppe um Professor Thomas Wichter konnte gemeinsam mit Forschern vom Max-Delbrück Zentrum in Berlin zeigen, dass Patienten mit dieser Erkrankung Gendefekte in einem Zellkontaktprotein aufweisen. Ausgehend von dieser Beobachtung konnte Kirchhof gemeinsam mit anderen Forschern aus Münster, Berlin und Essen zeigen, dass für die ARVC ein Defekt in einem Eiweiß verantwortlich ist, das die Herzmuskelzellen "miteinander verklebt". Und dass mit bestimmten Blutdruck senkenden Medikamenten das Risiko verringert werden kann, bei ARVC am plötzlichen Herztod zu sterben. Kirchhof: "Solche Beobachtungen bei Patienten mit seltenen Erkrankungen sind die Grundlage dafür, auch die häufigen Ursachen des plötzlichen Herztods zu erkennen und besser zu behandeln".  

Ein weiteres Beispiel ist die medikamentöse Behandlung von Vorhofflimmern. "Seit vielen Jahren ist eine dauerhafte Medikamentenbehandlung nach einer Kardioversion üblich, um Vorhofflimmern zu verhindern. Aus experimentellen Studien wissen wir, dass sich die Vorhöfe 'vom Vorhofflimmern erholen', und zwar binnen vier Wochen nach einer Kardioversion". Eine multizentrische, von Kirchhof und Professor Breithardt, Direktor der Klinik und Poliklinik C (Kardiologie und Angiologie) am UKM, initiierte Studie untersucht im Kompetenznetz Vorhofflimmern, ob diese experimentellen Beobachtungen erlauben, die Behandlung nach einigen Wochen zu beenden. "Dies ist ein Beispiel, wie Erkenntnisse der Grundlagenforschung die Behandlung im Alltag verbessern könnten", freut sich Kirchhof. "So kommt translationale Forschung beim Patienten an."