Pressemitteilung upm

Bildung ist der wichtigste Faktor für friedliches Zusammenleben

Geographen untersuchten Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Südosteuropa

Münster (upm), 04. April 2007

Kinder
Auch muslimische Kinder nehmen inzwischen an offiziellen Feierlichkeiten teil. Foto: privat

Auch wenn das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Südosteuropa oft geprägt war von Spannungen, gab es doch viele Regionen, in denen Menschen unterschiedlicher Religion über lange Zeit friedlich zusammen lebten. "Die Erfahrungen in Bosnien haben allerdings gelehrt, dass es jahrhundertlang gut gehen kann, um dann plötzlich zu eskalieren", sagt der Geograph Prof. Dr. Cay Lienau von der Universität Münster. Im Rahmen des vom Land NRW mit rund 180.000 Euro geförderten Projektes "Interethnische Beziehungen von Christen und Muslimen in Südosteuropa" hat er gemeinsam mit dem Geographen Gerasimos Katsaros, Dr. Thede Kahl vom Ost- und Südost-Institut der Universität Wien und versucht herauszufinden, wie das Zusammenleben von Christen und Muslimen in religiös und ethnisch gemischten Siedlungen in Südosteuropa funktioniert und welches Konflikte fördernde und mindernde Faktoren sind.  

Ausgewählt für die Untersuchung wurden jeweils eine ländliche und eine städtische Siedlung in der rumänischen Dobrudscha und im griechischen Westthrakien, wo orthodoxe Christen und Muslime seit Jahrhunderten friedlich miteinander auskommen. In beiden Regionen zählen Muslime zur Minderheit; in der Dobrudscha sind es vor allem Tataren, in Westthrakien sind es türkischstämmige Muslime und Pomaken, slawisch-sprechende Muslime. Die muslimische Minderheit stellt in Thrakien ein Drittel der Bevölkerung. Sie musste lange für Aggressionen der Türkei gegen Griechenland büßen. Viele Probleme der Minderheit wurden von dieser in religiöse Konflikte umgedeutet. Trotzdem kam es nur selten zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Das alltägliche Mit- und Nebeneinander ist über Jahrhunderte "trainiert". Um herauszufinden, wie die Menschen miteinander umgehen, führten die Wissenschaftler in beiden Ländern jeweils rund 120 Gespräche mit den Vertretern von Kirche, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und anderen Bürgern.  

Während in Rumänien politische Konflikte keine Rolle für das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen spielen, ist die Situation in Griechenland anders. Hier lässt sich nachvollziehen, wie eine geänderte politische Haltung auch gesellschaftliche Auswirkungen hat. Wurden Muslime früher von Staats wegen oft ausgegrenzt beziehungsweise benachteiligt, hat sich dies seit 1990 geändert. Seitdem gibt es große Anstrengungen, durch eine Novellierung des Bildungssystems muslimische Kinder in die griechische Gesellschaft zu integrieren. Minderheitenschulen, die je zur Hälfte auf griechisch und auf türkisch unterrichten, machen die Kinder mit beiden Kulturen vertraut. Seit 1996 gibt es Sonderkonditionen für den Zugang zu Hochschulen und zum Arbeitsmarkt. "Früher haben muslimische Kinder in der Türkei studiert, heute haben sie die Chance, in Griechenland zu bleiben. Dadurch ändert sich ihre Perspektive", erläutert Lienau.  

Bildung, so der Schluss von Lienau und seinem Team, ist der wichtigste Faktor für ein friedliches Zusammenleben. "Es gibt eine muslimische Elite, die zwar Gleichberechtigung, aber zugleich auch den Status quo der Separation erhalten will", so Katsaros. "Daneben entwickelt sich eine zweite muslimische Elite, die in Griechenland studiert hat und sich mehr mit dem Staat identifiziert." Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass eine höhere Bildung weniger anfällig für Verführung mache, betont Lienau. Verführung durch die eigenen Politiker, die jegliche Probleme mit dem griechischen Staat als Benachteiligung ihrer Ethnie und Religion begreifen. "Jeder griechische Bürger hat Konflikte mit dem Staat, egal ob orthodox oder muslimisch. Aber einzelne muslimische Führer versuchen, das für sich auszunutzen", so Katsaros. Erfolg haben sie eher in Bergdörfern, wo die Menschen konservativer und weniger gebildet sind als in den Städten.  

Institut für Geographie