Pressemitteilung upm

40 Jahre Stabilitäts- und Wachstumsgesetz

Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Heinz Grossekettler

Münster (upm), 06. Juli 2007

Grossekettler
Prof. Dr. Heinz Grossekettler Foto: Privat

Zum letzten Mal stand er dienstlich im Hörsaal: Prof. Dr. Heinz Grossekettler, langjähriger Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft der Universität Münster und einer der renommiertesten Finanzwissenschaftler Deutschlands, hat am 6. Juli nach über dreißigjähriger Lehr- und Forschungstätigkeit seine Abschiedsvorlesung gehalten. Dabei stellte er die Frage: Hat das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das vor 40 Jahren in Kraft trat, die geweckten Erwartungen erfüllt?  

Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein befriedigendes Wirtschaftswachstum bildeten das "magische Viereck" - die wirtschaftlichen Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Um diese Ziele zu erreichen, gab es neben Informations-, Planungs- und Koordinationsinstrumenten vor allem zwölf finanzpolitische Eingriffsinstrumente. Genutzt wurde besonders eines: die Erlaubnis zu einer Staatsverschuldung, die der Abwehr von Rezessionen dienen sollte.  

Die tatsächlich erzielten Ergebnisse zeigen, so Prof. Grossekettler, dass die Konjunkturschwankungen nicht gedämpft worden sind, aber die Staatsverschuldung explodiert ist. Deutschland war zwar preisstabiler als eine Vergleichsgruppe von handelsmäßig mit Deutschland verbundenen Ländern, was aber nicht dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zuzuschreiben ist, sondern der Politik der Bundesbank und anschließend der Europäischen Zentralbank. Die Arbeitslosigkeit stieg in Deutschland stärker an und liegt heute höher als in den Vergleichsländern. In Bezug auf das Wirtschaftswachstum, das zu Beginn der 60er Jahre in Deutschland deutlich höher war als in den Vergleichsländern, zeigte sich ab 1966 ein Rückstand und seit den 90er Jahren bis 2004 eine ausgeprägte Wachstumsschwäche.  

Eine so genannte Komponentenzerlegung der Wachstumsrate verdeutlicht, dass in Deutschland die Arbeitszeit viel stärker reduziert worden ist als in den Vergleichsländern und dass Frühverrentungsprogramme dazu geführt haben, dass Ältere weniger am Arbeitsprozess teilnehmen. Dies hat das Wachstum ebenso gedämpft wie die Gewerkschaftspolitik in den 70er Jahren, die zu Lohnsteigerungen bis zu 18 Prozent führte, was die Unternehmen dazu veranlasst hat, nur hoch produktive Arbeitskräfte zu beschäftigen und einfache Arbeiten durch Maschinen oder im Ausland verrichten zu lassen.  

In den letzten Jahren haben die Gewerkschaften allerdings ein großes Verantwortungsbewusstsein gezeigt, was dazu geführt hat, dass die deutschen Lohnstückkosten im Vergleich zum Ausland gesunken sind und sich das Verhältnis von Löhnen und Gewinnen dem Verhältnis vom Ende der 60er Jahre angenähert hat, wodurch die Inlandsinvestitionen und das Wachstum wieder gestärkt worden sind.  

Prof. Grossekettler zog das Fazit: Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz hat bei den Gewerkschaften und bei den Politikern Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden konnten. Erst die schmerzlichen Erfahrungen, die Deutschland mit der Entwicklung der Arbeitslosigkeit, der Wachstumsrate und der Staatsverschuldung machen musste, haben wieder zu mehr Realitätsbewusstsein geführt. Die Erwartungen richten sich jetzt auf die 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform II, die solche Fehlentwicklungen in Zukunft hoffentlich verhindert.  

Institut für Finanzwissenschaft