Pressemitteilung upm

Vom Rennofen zum Hochofen

Ausstellung der Abteilung Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zeigt 1000 Jahre Eisengeschichte

Münster (upm), 09. November 2007

Flossofen
Wissenschaftler der WWU Münster fanden bei ihren Grabungen einen Vorgänger der heutigen Hochöfen, den so genannten Flossofen. Foto: WWU

Das weltweit zweitwichtigste Handelsgut nach Erdöl ist die Metalllegierung Stahl. Ihr Hauptbestandteil steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Eisen zwischen Tradition und Innovation", die seit gestern (5. November 2007) im Foyer des Fürstenberghauses zu sehen ist. Organisiert hat sie die Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der WWU Münster in Kooperation mit der Universität Kiel, die in der Ausstellung Forschungsergebnisse der letzten 20 Jahre präsentieren. Wer sich über mehr als 1000 Jahre Eisengeschichte informieren will, kann dies wochentags zwischen 8 und 20 Uhr sowie samstags bis 13 Uhr im Fürstenberghaus, Domplatz 20-22, tun. Die Ausstellung ist noch bis Freitag, 18. November 2007, zu sehen. Der Eintritt ist frei.  

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Forschungen der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie des Historischen Seminars unter Leitung von Prof. Dr. Albrecht Jockenhövel. In Kooperation mit Fachinstituten der Universitäten Göttingen, Hannover, Kiel und Mainz untersuchten die Wissenschaftler, mit welcher Art von Öfen unsere Vorfahren Eisen gewannen und wie sich die mittelalterliche Eisenproduktion organisierte. An den Ausgrabungen waren nicht nur Wissenschaftler der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie beteiligt. Auch geologische, metallurgische und mineralogische Untersuchungen trugen dazu bei, dass die gesamte Produktionskette vom Abbau der Erze bis zum ausgeschmiedeten Eisen zusammenhängend dargestellt werden kann. Pollen- und Holzkohleanalysen machen darüber hinaus Umweltveränderungen sichtbar, die infolge der Eisengewinnung auftraten und durch großflächige Rodungen in immer stärkerem Maße zum Problem wurden.  

In Hessen, Nordrhein-Westfalen und Luxemburg suchten die Wissenschaftler der WWU nach Spuren metallverarbeitender Industrie. Innerhalb eines Gebietes von 80 Quadratkilometern entlang der Flüsse Dill und Dietzhölze im hessischen Lahn-Dill-Gebiet entdeckten sie rund 350 Verhüttungsplätze. Sie fanden am Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges so genannte Rennöfen - aus Lehm oder Stein errichtete Schachtöfen, in denen unsere Vorfahren vor 1000 Jahren das Metall aus Eisenerz gewannen. Für Landwirtschaft war der Boden zu unfruchtbar und das Klima ungeeignet. Wegen der reichen Eisenerze, die vor rund 400 Millionen Jahren entstanden, zählt das Gebiet jedoch zu den bedeutendsten mittelalterlichen Eisenlandschaften Europas.  

Die Untersuchungen zeigen, dass der Eisenbedarf im Verlauf des Mittelalters anstieg und sich damit einhergehend auch die Verhüttungsverfahren änderten. Die kleinen traditionellen Rennöfen wurden in der ausgehenden Eisenzeit 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung entwickelt. Sie blieben mehr als 1500 Jahre technisch beinahe unverändert in Gebrauch und verloren dann an Bedeutung. Um den erhöhten Eisenbedarf decken zu können, entwickelte man im 13. und 14. Jahrhundert neue Verhüttungsverfahren. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Hochöfen - frühe Vorgänger der Öfen, mit denen noch heute Eisen gewonnen wird. Im Süden Luxemburgs fanden die münsterschen Wissenschaftler einen Ofentyp, der den Übergang vom Renn- zum Hochofen markiert. Die höchste Hüttendichte im spätmittelalterlichen Europa weist mit über 2000 Standorten das Märkische Sauerland auf. Archäologische Ausgrabungen der Universität Münster führten dort zur Entdeckung der ältesten Hochöfen Deutschlands.  

Abteilung Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie