Pressemitteilung upm

Wie spricht der Norden?

Münstersche Forscher an DFG-Projekt "Sprachvariation in Norddeutschland" beteiligt

Münster (upm), 20. Juni 2008

Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler um Prof. Dr. Jürgen Macha vom Germanistischen Institut der Universität Münster sowie fünf weiterer Universitäten untersuchen in einem gemeinsamen Forschungsprojekt, wie in den verschiedenen Gegenden Norddeutschlands aktuell gesprochen wird. Im Juni 2008 starten umfangreiche Erhebungen in 18 Regionen des niederdeutschen Sprachraumes. Gefördert wird das groß angelegte Projekt "Sprachvariation in Norddeutschland" (SIN) seit Februar 2008 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Es handelt sich um das erste Forschungsvorhaben, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Sprachverhältnisse im gesamten niederdeutschen Raum umfassend zu dokumentieren und zu analysieren.  

Die Wissenschaftler der Universitäten Münster, Bielefeld, Frankfurt/Oder, Hamburg, Kiel und Potsdam erhoffen sich von dieser Studie einerseits neue Erkenntnisse über den gegenwärtigen Stand der niederdeutschen Dialekte, die unter dem anhaltenden Einfluss des Hochdeutschen eine Reihe von Veränderungen erfahren haben. Auf der anderen Seite soll aber auch das spezifische Hochdeutsch der Norddeutschen, das von den meisten heute als Alltagssprache gebraucht wird, unter die Lupe genommen werden. Hierbei möchten die Forscher vor allem herausfinden, welche sprachlichen Merkmale für die verschiedenen hochdeutschen Regionalsprachen jeweils typisch sind und in welchen Situationen man auf welche Merkmale zurückgreift.  

Eine Besonderheit des Projekts besteht darin, dass das Sprechverhalten der Norddeutschen nicht nur per Fragebogen ermittelt wird, sondern dass mit insgesamt 144 Personen Sprachaufnahmen durchgeführt werden. So wird mit allen Gewährspersonen ein längeres Interview geführt, vor allem aber wird ein etwa zweistündiges Gespräch aufgezeichnet, das bei einem Kaffeetrinken im Kreise der Familie, ohne Anwesenheit des Interviewers, entstanden ist. Auf diese Weise gelangen die Sprachwissenschaftler erstmals zu einem besonders authentischen Material, das zuverlässige Rückschlüsse auf das natürliche Sprechverhalten der Norddeutschen erlaubt.  

Für das SIN-Projekt sollen in den nächsten beiden Jahren in jeweils zwei kleineren Ortschaften aus 18 norddeutschen Dialektregionen Sprachaufnahmen durchgeführt werden. Standen bei ähnlichen Projekten bisher stets männliche Sprecher im Vordergrund, sind es hier erstmals Sprecherinnen, die den Kern eines Projekts dieser Größenordnung bilden. An jedem Ort werden vier Frauen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren interviewt und im Familienkreis aufgenommen.  

Bei der Analyse des erhobenen Materials werden zum einen die sprachlichen Merkmale in den einzelnen Regionen miteinander verglichen, zum anderen wird auch das individuelle sprachliche Verhalten der Sprecherinnen untersucht. Auch die Selbstauskünfte der Sprecherinnen zu ihren sprachlichen Erfahrungen und ihrer Einstellung gegenüber dem niederdeutschen Dialekt und der hochdeutschen Alltagssprache werden berücksichtigt, da sie wichtige Ansätze für die Interpretation der beobachtbaren Sprachphänomene liefern. Nach Abschluss des Projekts soll eine Buchpublikation ausführlich über die aktuellen Sprachverhältnisse im niederdeutschen Sprachraum informieren.  

"Sprachvariation in Norddeutschland"