Pressemitteilung upm

Freude durch Literatur

Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki war zu Gast an der WWU

Münster (upm), 19. Juni 2008

Reich-Ranicki 300
Marcel Reich-Ranicki macht den Sinn der Literatur klar: Freude. Foto: Peter Grewer

Wozu braucht man Literatur? "Um das Leben besser zu ertragen", so die Antwort von Marcel Reich-Ranicki. Der berühmte Literaturkritiker sprach am Mittwoch (18. Juni 2008) vor rund 300 Zuhörern in der Aula des münsterschen Schlosses. Eingeladen hatte Prof. Dr. Wolfgang Lück vom Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Münster. Anlass war zum einen das Jahr der Mathematik 2008. Der zweite Grund: Noch bis Freitag (20. Juni) findet an der WWU die Tagung "Surgery and Manifold Theory" zu Ehren von Marcel Reich Ranickis Sohn Andrew statt, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert. Andrew Reich-Ranicki ist angesehener Mathematikprofessor an der Universität Edinburgh (Schottland).  

Bevor Marcel Reich-Ranicki auf die Bühne trat und sein Publikum in die Welt der Literatur und der Sprache entführte, gab Leibnizpreisträger Prof. Lück den Gäste eine Einführung in eine ganz andere Sprache: in die Mathematik. "Die Mathematik ist eine unglaublich komprimierte Sprache - sie ist unter anderem extrem kompliziert und reichhaltig", so Lück. "Es ist das Sprachproblem, was Mathematik oft schwer verständlich macht." Es folgte ein interaktiver Vortrag, bei dem Prof. Lück die ein oder andere "Sprachbarriere" des Publikums überwand und Einblicke in die Faszination und die Bedeutung der Mathematik gab.  

Anschaulich und mit Humor demonstrierte er beispielsweise, warum in den Augen eines Topologen kein Unterschied zwischen einer Kaffeetasse und einem Donut besteht ("dennoch beiße ich nicht in die Tasse") und wie Mathematiker durch Nachdenken ("das machen wir eigentlich ganz gerne") Anwendungen der Mathematik verbessern. Prof. Lück vertrat mit seinem Vortrag Prof. Dr. Friedrich Ernst Peter Hirzebruch, der seine Teilnahme aufgrund einer Erkrankung absagen musste.  

Nach einem musikalischen Intermezzo mit Prof. Dr. Matthias Kreck aus Bonn am Cello stellte Andrew Reich-Ranicki seinen Vater dem Publikum vor. "Eigentlich braucht man ihn nicht vorzustellen", räumte er zwar ein, erzählte aber auch eine Anekdote, die das Gegenteil nahelegt: "Ein befreundeter Mathematiker hat einmal meine Mutter gefragt: Ist ihr Mann in seinem Fach auch so berühmt wie ihr Sohn?"  

Marcel Reich-Ranicki fragte zu Beginn seines Vortrags angesichts des aktuellen Fußballgeschehens bei der Europameisterschaft: "Was treibt die Leute dazu, Literatur zu lesen?" Die Antwort: Nichts anderes, als Fußball zu gucken. "In der Literatur und auf dem Spielfeld geschehen Dramen, bei denen man nie weiß, wer gewinnen wird." Das Erfolgsgeheimnis der Literatur: Die Leute erkennen sich selbst in den Figuren, die Literatur zeigt den Menschen ihr eigenes Leben.  

Marcel Reich-Ranicki verriet den Zuhörern auch, wie er zur Literatur gekommen ist: "Mein erstes Interessengebiet war die Mathematik. Da war ich der beste Schüler." Nach einer antisemitische Bemerkung ihm gegenüber - "Rechnen können die Juden ja" - beschloss Reich-Ranicki, der beste Deutschschüler zu werden.  

Literatur soll Vergnügen bereiten, so die Botschaft Marcel Reich-Ranickis an sein Publikum. "Glauben Sie nicht, wenn Leute behaupten, Literatur nähere sich ihrem Ende. Literatur wird weiter bestehen. Lassen Sie sich von ihr erfreuen."  

 

" Andrew Ranicki's 60th Birthday Conference"