Pressemitteilung upm

Herrschaft im Mittelalter

Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff wird 65 Jahre alt

Münster (upm), 07. Juli 2008

Althoff
Prof. Dr. Gerd Althoff Foto: upm

Wer heute noch vom Mittelalter als einer Epoche ungezügelter Brutalität spricht, erntet unter den Spezialisten nur noch ein mildes Lächeln. Dafür gesorgt hat nicht zuletzt der münstersche Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff, der am 9. Juli 2008 sein 65. Lebensjahr vollendet. In vielen Arbeiten hat er gezeigt, dass das vermeintlich finstere Zeitalter feste Regeln entwickelt hat, die Gewalt zu begrenzen, zu kanalisieren oder zumindest zu reglementieren.  

Gerd Althoffs wissenschaftlicher Werdegang ist eng mit der Universität Münster verknüpft. Er studierte Geschichte und Germanistik in Münster und Heidelberg. Nach der Promotion an der Universität Münster über das Necrolog des Klosters Borghorst (1974) folgte er seinem Lehrer Karl Schmid als Assistent nach Freiburg, wo er sich 1981 mit einer Arbeit über das Totengedenken der Adels- und Königsfamilien im 10. Jahrhundert habilitierte. 1986 führte ihn sein Weg als Professor für Mittelalterliche Geschichte zunächst nach Münster. Nach Lehrstühlen an den Universitäten Gießen und Bonn kehrte Prof. Althoff 1997 als Ordinarius wieder an die WWU zurück. Gastprofessuren in Berkeley/Kalifornien (1995/96) und Paris (1998) bezeugen und förderten seine internationale Ausstrahlung.  

Althoffs wissenschaftliches Erkenntnisinteresse galt vor allem der Frage, wie Herrschaft vor der Entstehung des modernen Staates funktionierte. Das zeigten schon die frühen Arbeiten, die sich mit der Ottonen- und Salierzeit befassten und ihn zum ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet werden ließen. So hat er mit seinen Darstellungen "Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat" (2000) und dem gemeinsam mit Hagen Keller verfassten Ottonen-Band im "Handbuch der deutschen Geschichte" (2008) die zentralen Studien- und Lehrbücher geschrieben. Auch seine Biographien über Otto III. (1996) und den Salier Heinrich IV. (2006) gelten mittlerweile als Standardwerke.  

Die Frage nach den Funktionsweisen mittelalterlicher Herrschaft stand auch bei seinen Forschungen zu den politischen Gruppenbindungen im Mittelalter Pate, aus denen insbesondere das auch ins Englische übersetzte Buch über "Verwandte, Freunde und Getreue" (1989) hervorgegangen ist. In den folgenden Jahren setzte sich der Historiker dann vor allem mit der Konfliktführung und -beilegung im Mittelalter auseinander und versammelte 1997 unter dem programmatischen Titel "Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde" einige Studien in einem viel beachteten Buch. Ein neues Forschungsgebiet hat Althoff der deutschen Mittelalterforschung erschlossen, indem er zuletzt in vielen Studien die Bedeutung symbolischer Handlungen und die Wirkung von Ritualen im Mittelalter untersucht hat. Sein Buch "Die Macht der Rituale" (2003) hat der Erkenntnis, in welch hohem Maße symbolische Kommunikationsformen die mittelalterliche Herrschaft prägten, zu entscheidendem Durchbruch verholfen. Schon zuvor waren seine konzeptionellen Überlegungen auf diesem Gebiete in den 2000 bewilligten münsterschen Sonderforschungsbereich "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution" eingeflossen, als dessen Mitinitiator und langjähriger Sprecher er sich verdient gemacht hat. Seit dem vergangenen Jahr ist Althoff überdies Sprecher des neu eingerichteten Exzellenzclusters "Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne", wo er selbst unter anderem das neue Gewaltverständnis der Kirchenreformer des 11. Jahrhunderts untersucht.  

Dass Althoff seine neuen Sichtweisen nicht nur der engen Fachwelt, sondern auch einem breiteren Publikum zu vermitteln versteht, zeigen seine vielen gut besuchten öffentlichen Vorträge. Die Fähigkeit, Themen gleichermaßen anspruchsvoll wie ansprechend zu präsentieren, sichert ihm nicht zuletzt in der universitären Lehre einen ungewöhnlich großen Zulauf. Seine Vorlesungen gelten als Magnet, der über die Studierenden hinaus viele interessierte Gasthörer anzieht. Sie alle können nun davon profitieren, dass Prof. Althoff die WWU nach seinem 65. Geburtstag nicht verlassen wird, sondern dem Historischen Seminar als Hochschullehrer und dem Exzellenz-Cluster als Sprecher weiterhin erhalten bleibt.  

Aus Anlass des 65. Geburtstages von Prof. Dr. Gerd Althoff findet in Münster vom 10. bis 12. Juli 2008 ein internationales Kolloquium statt, auf dem sich Forscher unter dem Titel "Spielregeln-Gewohnheiten-Konventionen" über die zentralen Leitbegriffe der Arbeiten Althoffs austauschen. Unter dem Titel "Kaiser sein im spätmittelalterlichen Europa. Spielregeln zwischen Weltherrschaft und Gewöhnlichkeit" hält am Donnerstag, 10. Juli 2008, um 19.30 der Heidelberger Mediävist Bernd Schneidmüller im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am münsterschen Domplatz einen öffentlichen Abendvortrag.  

 

 

 

Historisches Seminar, Abteilung Mittelalterliche Geschichte