Pressemitteilung upm

Am Anfang war der Text

Neue Methode zur Wiedergewinnung der ursprünglichen Textform des griechischen Neuen Testaments in Münster entwickelt

Münster (upm), 06. August 2008

Strutwolf
Dem Ausgangstext des Neuen Testaments auf der Spur: Prof. Dr. Holger Strutwolf im Bibelmuseum der WWU Foto: Grewer

Eine neue computergestützte Methode zur Wiedergewinnung der Textform, von der in der Mitte des 2. Jahrhunderts die handschriftliche Überlieferung des griechischen Neuen Testaments ihren Ausgang nahm, haben Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität bei einem internationalen Kolloquium Anfang August in Münster vorgestellt. Die am Institut für Neutestamentliche Textforschung der WWU entwickelte "Kohärenzmethode" stieß bei den aus aller Welt angereisten führenden Bibelforschern, aber auch bei der Deutschen Bibelgesellschaft auf großes Interesse und breite Akzeptanz.  

Wie der Direktor des Instituts für Neutestamentliche Textforschung und Leiter des Bibelmuseums der Universität Münster, Prof. Dr. Holger Strutwolf, bei einem Pressegespräch am Mittwoch, 6. August 2008, zum Ende der Konferenz erläuterte, ist der Ausgangstext des griechischen Neuen Testaments selbst in keiner Handschrift vollständig erhalten, er müsse deshalb aus der gesamten Überlieferung von zur Zeit 5.700 bekannten Handschriften rekonstruiert werden. Das Hauptproblem sei dabei, so Prof. Strutwolf, die "Kontamination", die gegenseitige Beeinflussung und Vermengung unterschiedlicher Überlieferungen, zu der es im Zuge der handschriftlichen Reproduktion des Textes immer wieder gekommen sei.  

Schreiber kopierten zwar im Wesentlichen zuverlässig ihre Vorlage, gelegentlich wurden sie aber etwa durch Unleserlichkeiten oder durch alternative Lesarten zwischen den Zeilen oder am Rande veranlasst, eine andere Handschrift zu Rate zu ziehen und von der Hauptvorlage abzuweichen. "Im Laufe der Jahrhunderte entstand so ein schwer zu entwirrendes Gemenge von Textformen und Überlieferungssträngen", erklärt Prof. Strutwolf und verweist zur Lösung des alten Problems auf die von Gerd Mink an seinem Institut entwickelte neue "Kohärenzmethode", die erstmals auf der Basis des gesamten relevanten Materials die Textvarianten im Neuen Testament mit Hilfe von leistungsfähiger EDV überprüfe und Vorschläge entwickle. Der Zusammenhang der Überlieferung werde sichtbar und könne in die Beurteilung der Varianten einbezogen werden.  

Dr. Jan Bühner, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft, rechnet nicht mit Sensationen am Ende der auf mehr als zwanzig Jahre veranschlagten Forschungsarbeit der münsterschen Wissenschaftler an der geplanten großen kritischen Gesamtausgabe des griechischen Neuen Testaments, die im Jahr 2030 vorliegen soll. Sehr wohl könne es aber zu zahlreichen wichtigen und überraschenden Textänderungen am Neuen Testament auf dem langen Weg bis zur "Editio Critica Maior" kommen. Erfreut sei er über die in Münster deutlich gewordene große Übereinstimmung und Kooperationsbereitschaft der internationalen Forscher. So werden die beiden internationalen Zentren der neutestamentlichen Textforschung an den Universitäten Münster und Birmingham/Großbritannien künftig noch enger zusammen arbeiten.  

Die nächste internationale Konferenz zur Textgeschichte des griechischen Neuen Testaments soll in drei Jahren, wahrscheinlich wieder in Münster, stattfinden.  

 

 

 

 

 

Institut für Neutestamentliche Textforschung