Münster (upm), 10. Dezember 2008
Eins plus eins macht zwei? Im Nanobereich nicht unbedingt.
Werden einzelne Moleküle zusammengesetzt, ergeben sich manchmal Strukturen mit
völlig neuen Eigenschaften. Diese neuen Merkmale sind es, die die Wissenschaftler
des neuen Transregio-Sonderforschungsbereichs 61 begeistern. Die Forscher
wollen maßgeschneiderte molekulare Materialien herstellen, die zum Beispiel
neue optische oder elektrische Merkmale aufweisen. Das Besondere:
Wissenschaftler der Universität Münster arbeiten dabei Hand in Hand mit ihren
Kollegen aus China. Am Mittwoch (10. Dezember 2008) wurde der Transregio, der im
Mai dieses Jahres von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt worden
war, im münsterschen Schloss feierlich eröffnet.
„Unser Projekt ist ein Novum", betont Prof. Dr. Harald Fuchs
vom Physikalischen Institut der WWU, der gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr.
Lifeng Chi die „deutsche Seite" des Transregio leitet. „Bislang gibt es kein
anderes deutsch-chinesisches Forschungsvorhaben dieser Qualität und
Größenordnung. Auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das eine
Premiere". Die DFG unterstützt den Transregio „Multilevel Molecular Assemblies
- Structure, Dynamics and Functions" zunächst über vier Jahre mit rund sechs Millionen
Euro.
Dass ein solches Kooperationsprojekt allerdings nicht aus
dem Hut gezaubert werden kann, zeigt die lange Vorgeschichte. „Wir blicken auf
eine über zehnjährige Zusammenarbeit zurück, die über die Jahre gewachsen ist
und hochkarätige gemeinsame Publikationen hervorgebracht hat", so Chi. Diese
bestehende Kooperation hat die Basis für den neuen Transregio, der im Juli
gestartet ist, gebildet.
Projektpartner sind renommierte Einrichtungen der Pekinger
Tsinghua-Universität, des National Nanoscience Center of China sowie der
Chinesischen Akademie der Wissenschaft. Von münsterscher Seite sind unter
anderem Arbeitsgruppen des CeNTech (Center for NanoTechnology) sowie des CeNoS
(Center for Nonlinear Science) beteiligt. „Damit haben wir zwei wichtige Arbeitsbereiche
der WWU eingebunden", so Fuchs.
Die Wissenschaftler interessiert, wie sich die chemischen
Eigenschaften vom einzelnen Molekül über den Molekülverbund bis hin zu
Molekülschichten ändern. „Wir haben die Technik, um solche Nanomaterialien herzustellen",
erklärt Fuchs. Um ein umfassendes theoretisches Verständnis zu erhalten, sind
Arbeitsgruppen beteiligt, die die komplexenVorgänge auf Nanoebene durch
Computersimulationen und Berechnungen ergründen.
Neben Physikern und Chemikern sind auch Biologen im Boot.
„Wir werden von der Biologie eine Menge lernen. Dort gibt es Molekülstrukturen
mit spezifischen Eigenschaften, die als Vorbilder für unsere neuen
maßgeschneiderten Moleküle dienen können", so Fuchs. „Allerdings sollen diese
Nanosysteme nicht einfach kopiert werden. Wir wollen Konzepte aus der Natur auf
neue Materialien übertragen". Zwar werden die synthetischen Moleküle, die von
den Forschern kreiert werden, einfacher sein als die biologischen Vorbilder.
Sie sollen aber auch neue Eigenschaften erhalten. So sind biologische Moleküle
in der Regel nicht hitzebeständig. Gerade diese Eigenschaft könnte aber bei der
Anwendung von Nanomaterialien in der Technik wichtig sein.
Einige Forscher des Transregio arbeiten zum Beispiel an der
Herstellung von Nanocontainern. Diese könnten in Zukunft dazu dienen,
Medikamente im Körper zum „Einsatzort" zu transportieren. Andere
Wissenschaftler untersuchen Transportmoleküle, die Farbstoffe vor oxidativem
Abbau schützen und so für die Farbindustrie von Interesse sein könnten. Wieder
andere wollen Moleküle mit speziellen Funktionen kreieren, beispielsweise
photoaktive Moleküle oder „Hybridsysteme" aus synthetischen und biologischen
Bestandteilen, die ganz neue Anwendungen ermöglichen könnten. „Die
Grundbausteine solcher Systeme sind da. Es gilt jetzt, die Ansätze im
Transregio zusammenzubringen", so Fuchs.
Die Zusammenarbeit der Deutschen und Chinesen beschränkt sich nicht auf
E-Mail-Korrespondenz und Videokonferenzen. Jährlich stattfindende Treffen -
abwechselnd in Münster und in Peking - werden für den persönlichen Austausch
zwischen den Forschern sorgen. Zudem finden jährliche Treffen der Doktoranden
statt. Ohnehin werden die Studierenden, die im Transregio arbeiten, Gelegenheit
haben, über den Tellerrand zu schauen. Gegenseitige Forschungsaufenthalte sind
Bestandteil des Ausbildungsprogramms. „Der Austausch ist besonders wichtig",
erklärt Chi. „Nicht nur auf Nanoebene ist das Ganze mehr als die Summe seiner
Teile. Auch die Forschergruppen werden gemeinsam mehr schaffen, als bei lauter
Einzelprojekten herausgekommen wäre."