Pressemitteilung upm

Pantoffeltierchen unter der Lupe

Evolutionsbiologe erforscht Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Parasiten und Wirte

Münster (upm), 24. März 2009

Dr. Gisep Rauch (vorn) mit Biologiestudent Hendrik Eggert.
Dr. Gisep Rauch (vorn) mit Biologiestudent Hendrik Eggert. Foto: WWU - Schwitte
Dr. Gisep Rauch zählt Pantoffeltierchen mithilfe einer Lupe.
Dr. Gisep Rauch zählt Pantoffeltierchen mithilfe einer Lupe. Foto: WWU - Schwitte

Dr. Gisep Rauch verbringt mitunter viel Zeit damit, Pantoffeltierchen zu zählen. Der Evolutionsbiologe erforscht an der Universität Münster, wie sich Klimaveränderungen auf das Wechselspiel zwischen Parasiten und ihren Wirten auswirken. Als Versuchsobjekte dienen ihm Pantoffeltierchen - winzige einzellige Süßwasserbewohner, die sich schnell vermehren und im Labor leicht zu halten sind.

„Veränderungen des Klimas können die Schädigung von Wirten durch Parasiten beziehungsweise durch Krankheitserreger beeinflussen", erklärt Rauch, der am Institut für Evolution und Biodiversität (IEB) der WWU arbeitet. Das Ausmaß der Schädigung kann sich in der Fortpflanzungsrate des Wirts niederschlagen. Rauch untersucht daher, wie sich Pantoffeltierchen als Wirte, die mit bestimmten Bakterien infiziert sind, vermehren. Dabei vergleicht er, was bei verschiedenen Temperaturen geschieht, denn die Temperatur ist ein Faktor, der die Karten im komplexen Wechselspiel zwischen Wirt und Parasit unter Umständen neu mischt.

Wirte und Parasiten können sich in einem regelrechten „Wettrüsten" fortlaufend aneinander anpassen. „Je besser die Abwehrmechanismen des Wirts sind, desto stärker ist der Druck auf den Parasiten, gute ‚Angriffsstrategien' zu entwickeln", so Rauch. Dieses Wechselspiel kann eine andere Richtung einschlagen, wenn sich die Umweltbedingungen ändern. „Bislang weiß man noch nicht, welche Folgen der Klimawandel für solche Systeme haben wird - zum Beispiel für die Beziehung zwischen Menschen und krankmachenden Viren", so Rauch. Die Untersuchungen des Forschers sollen daher wertvolle Hinweise liefern, um solche Mechanismen aufzuklären.

Seine Versuchsobjekte, die Pantoffeltierchen, findet Rauch vor der Haustür des IEB: im Wassergraben des münsterschen Schlosses. Die winzigen Organismen werden im Labor in kleinen Wannen bei genau geregelter Wassertemperatur gehalten. Rauch interessieren einerseits kurzfristige Effekte von Temperaturänderungen auf die Beziehung zwischen Wirt und Parasit. Vor allem interessiert er sich jedoch für die langfristige Auswirkung einer Temperaturerhöhung. „Die langfristigen Effekte zeigen sich erst im Laufe einiger Generationen. Sie können sich von den kurzfristigen maßgeblich unterscheiden, denn bei langfristigen Effekten kommt die Evolution ins Spiel", so Rauch.

Dank der raschen Vermehrung der Pantoffeltierchen kann der Forscher die Evolution im Labor im Laufe einiger Monate über 500 oder gar 1000 Generationen beobachten. Viren und Bakterien vermehren sich sogar noch schneller - unter Umständen dauert es bei ihnen weniger als eine Stunde, bis eine neue Generation entstanden ist. „Davon sind nicht nur die Pantoffeltierchen betroffen, die mit Bakterien infiziert sind. Die schnelle Evolution von Krankheitserregern betrifft auch den Menschen", so Rauch. So müssen jedes Jahr neue Grippeimpfungen entwickelt werden, da sich die Grippeviren stetig verändern.

Rauch simuliert im Labor verschiedene Temperaturszenarien. Am Ende jedes Versuchs steht mühselige Zählarbeit, um die Anzahl der Pantoffeltierchen zu bestimmen. Der Wissenschaftler entwickelt derzeit eine automatisierte Zählmethode, die seine Arbeit wesentlich erleichtern würde. Bis das automatische Zählen klappt, funktioniert es ganz klassisch - mit der Lupe.

Dr. Gisep Rauch/IEB