Pressemitteilung upm

Lebenswichtige Kanäle

"VolkswagenStiftung" unterstützt Forschungsprojekt münsterscher Mathematiker

Münster (upm), 02. April 2009

Für ein neues Forschungsprojekt münsterscher Mathematiker stellt die „VolkswagenStiftung" 447.000 Euro für drei Jahre zur Verfügung. Bei dem Projekt soll der Transport von elektrisch geladenen Teilchen, Ionen, durch biologische sowie synthetische Kanäle untersucht werden. Im Zentrum steht dabei ein neues Verfahren der Computersimulation. Unter der Federführung von Prof. Dr. Martin Burger vom Institut für Numerische und Angewandte Mathematik der Universität Münster sind auch Arbeitsgruppen aus Aachen, Berlin und Darmstadt an dem Projekt beteiligt.

Biologische Ionenkanäle spielen eine lebenswichtige Rolle im tierischen und menschlichen Körper. Sie kommen in den Membranen vor, welche die Körperzellen umgeben, und können geladene Teilchen wie Kalzium- und Natriumionen selektiv transportieren. Über diese Kanäle wird reguliert, welche Substanzen in die Zellen hinein und aus ihnen hinaus gelangen. Das ist zum Beispiel bei der Weiterleitung von Signalen in Nervenzellen oder bei der Kontraktion der Muskulatur wichtig. Der Transport betrifft nicht nur körpereigene Funktionen, sondern kann auch bei der Wirkung von Medikamenten eine Rolle spielen.

„Vereinfacht gesagt, ist ein Ionenkanal ein Protein mit einem Loch in der Mitte", sagt Prof. Burger. „In Wirklichkeit ist die Sache natürlich viel komplizierter. Daher sind die Kanäle auch so ein spannendes Forschungsthema." Der Funktion der winzigen Tunnel wollen die Forscher auf den Grund gehen. „Unsere zentralen Fragen sind: Wie läuft der Transport der Ionen durch die Kanäle ab und wie kann man ihn optimal beeinflussen? Letzteres könnte eine Rolle bei der Entwicklung von Medikamenten spielen", so Prof. Burger.

Die münsterschen Forscher simulieren die Funktionsmechanismen natürlicher Ionenkanäle am Computer. „Das neue an unserer Methode ist, dass wir mikroskopische und makroskopische Ansätze verbinden", so Prof. Burger. Durch so genannte Multiskalensimulation berücksichtigen die Wissenschaftler, wie sich einzelne Ionen im Kanal verhalten, aber auch, was beim Ionentransport in der gesamten Zelle geschieht.

Eine Besonderheit des Projekts ist auch die Zusammensetzung der beteiligten Forscher: Es sind nicht nur Mathematiker und Biochemiker dabei, sondern auch Materialwissenschaftler, die mit synthetischen Ionenkanälen arbeiten. Zum einen sollen die Erkenntnisse aus den künstlichen Kanalsystemen helfen, die komplizierten biologischen Originale zu verstehen. „Außerdem könnten künstliche Ionenkanäle in Zukunft industriell angewendet werden, zum Beispiel, um Meerwasser zu entsalzen", so Prof. Burger.

„Ein Vorteil der Zusammenarbeit ist: Die per Simulation gewonnenen Daten können wir gleich am künstlichen Kanalmodell überprüfen", sagt Prof. Burger. Die künstlichen Kanäle werden am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt untersucht. „Die Kollegen dort beschießen Plastikfolien mit Schwermetallionen. Dadurch entstehen Poren, die freien Ladungen tragen - ähnlich, wie die natürlichen Ionenkanäle", macht Prof. Burger das Prinzip anschaulich. Die Form der künstlichen Kanäle können die Forscher im Experiment gut verändern. Dadurch können sie Rückschlüsse auf die Funktion ziehen. Diese Ergebnisse lassen sich dann wiederum auf die biologischen Kanäle übertragen. „Langfristig können sie in der Medizin zum Einsatz gebracht werden", so Prof. Burger. „Dazu haben wir auch bereits Kooperationen mit dem münsterschen Universitätsklinikum angedacht."

Arbeitsgruppe Burger