Pressemitteilung upm

"Ehren"morde?

Hintergründe und Deutungen aus kulturanthropologischer Perspektive

Münster (upm), 20. November 2009

Spätestens seit dem Mord an Hatun Sürücü in Berlin im Februar 2005 haben Morde im Namen der Ehre für Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Dass Frauen - aber auch Männer - von ihren engsten Familienangehörigen im Namen der Ehre misshandelt, verfolgt oder schlimmstenfalls getötet werden, scheint vielen hierzulande unbegreiflich. Die Volkskundlerin Dr. Anna Caroline Cöster von der Universität Freiburg wird am Donnerstag, 26. November, um 10.15 Uhr in einem Gastvortrag Hintergründe und Deutungen aus kulturanthropologischer Sicht beleuchten. Der Vortrag findet im Seminarraum Sch4, Scharnhorststr. 100, statt.

Bereits die Bezeichnung „Ehrenmord" erzeugt Unverständnis und nicht selten hält man, gleich dem ehemaligen Innenminister Otto Schily den Ehrenmord für „ein unmögliches Wort, denn Mord [kann] ja nie eine Ehre sein". Aussagen wie diese machen deutlich, wie wenig über den Ehrbegriff und das Zustandekommen von Ehrenmorden bekannt ist, obgleich sie Statistiken zufolge in Deutschland nicht selten vorkommen: Von 55 Ehrenmorden spricht das Bundeskriminalamt (BKA) in acht Jahren - allerdings ohne genau definieren zu können, was unter einem Ehrenmord verstanden wird, geschweige denn auf Ursachen und Verläufe der Taten hinzuweisen.

Ziel des Vortrages ist es, sich zunächst dem Ehrbegriff im Allgemeinen und anschließend den Hintergründen der in Deutschland verübten Ehrenmorde anzunähern. So sollen einige Fehleinschätzungen aus dem Weg geräumt werden, um Ehrenmorden in Deutschland schärfere Konturen verleihen zu können. In diesem Zusammenhang kann und darf man die subjektive Sicht der bedrohten Opfer, welche sich vor ihren Familien seit Jahren auf der Flucht befinden, nicht aus dem Auge verlieren: Mit ihrem Ausbruch aus den Familien sehen sie sich schlagartig in Lebensgefahr. Neben der Verarbeitung ihrer teils stark von Gewalt durchsetzten traumatischen Erlebnisse kämpfen die Opfer auch mit rechtlichen Schwierigkeiten. Es fällt ihnen schwer, sich an ihr isoliertes Leben zu gewöhnen und sich ein ihnen kulturell bis dahin völlig fremdes Leben aufbauen.

Der Vortrag soll zum einen anhand von Auswertungsergebnissen biographisch geführter Interviews mit Zuwanderinnen, die von ihren Familien verfolgt werden, den Lebensalltag bedrohter Opfer darstellen. Zum anderen soll dabei aber auch die sich zunehmend ausdifferenzierende Auslegung des Ehrbegriffs aus der Sicht weiterer Zuwanderinnen nicht verkannt werden, um so schlussendlich den Ehrbegriff in seiner Vielfältigkeit ein wenig klarer erscheinen zu lassen.

Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie