Pressemitteilung upm

Ein Unheil bringendes Geschenk?

"Science"-Studie: Münstersche Forscher haben Erbgut parasitischer Bakterien in Wespengenom gefunden

Münster (upm), 15. Januar 2010

Eine weibliche Erzwespe injiziert ihre Eier in die Puppe einer Fliege. Dort ernähren sich die Wespenlarven von dem Fliegennachwuchs.
Eine weibliche Erzwespe injiziert ihre Eier in die Puppe einer Fliege. Dort ernähren sich die Wespenlarven von dem Fliegennachwuchs. Foto: Werren lab
Das münstersche Team (von links nach rechts): Andreas Schüler, Erich Bornberg-Bauer, Andrew Moore und Arndt Telschow
Das münstersche Team (von links nach rechts): Andreas Schüler, Erich Bornberg-Bauer, Andrew Moore und Arndt Telschow Foto: Dolors Amoros Moya/IEB

Ein Danaergeschenk ist ein Präsent, das dem Beschenkten Unglück bringt. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die Griechen - die Danaer - die Stadt Troja zu Fall brachten. Auch die Biologie scheint solche List zu kennen: Im Rahmen einer internationalen Studie, die in der aktuellen Ausgabe des renommierten Forschungsjournals „Science" veröffentlicht wurde, sind münstersche Forscher auf eine Überraschung gestoßen: Erzwespen tragen ein Gen des parasitischen Bakteriums Wolbachia in ihrem Erbgut. Die Forscher fragen sich nun: Ist dieses Gen ein „Danaergeschenk"?

Das internationale Konsortium von Wissenschaftlern hat unter der Leitung von Prof. Dr. Jack Werren von der Universität Rochester und Prof. Dr. Stephen Richards vom Baylor College (USA) das Genom dreier eng verwandter Erzwespenarten der Gattung „Nasonia" umfassend untersucht. Aus den Ergebnissen der Studie können die Forscher grundlegende und eventuell auf andere Arten übertragbare Erkenntnisse gewinnen - beispielsweise in einem wichtigen Bereich der Evolutionsbiologie: dem Wechselspiel zwischen Wirten und Parasiten.

Ein weit verbreiteter Parasit, das Bakterium Wolbachia, lebt im Körper zahlreicher Insektenarten, darunter Erzwespen. Die Nachkommen der Bakterien werden über Eizellen der Wirte weitergegeben und infizieren so deren Nachwuchs. „Wolbachia manipuliert Insekten und andere Gliedertiere im großen Stil", sagt Dr. Arndt Telschow vom Institut für Evolution und Biodiversität der Universität Münster, der gemeinsam mit Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer an der Studie beteiligt ist. „Damit es sich selbst optimal vermehrt, beeinflusst Wolbachia die Fortpflanzung seiner Wirte mit unterschiedlichen Methoden. So tötet es bei vielen Arten gezielt alle männlichen Nachkommen."

Bei Erzwespen verändert Wolbachia die Spermien derart, dass Eizellen, die nicht mit Bakterien infiziert sind, nach der Befruchtung absterben. Forscher haben beobachtet, dass von Wolbachia befallene Wespen sich mit eng verwandten Arten nicht fortpflanzen können. „Tötet man die Bakterien mit einem Antibiotikum ab, klappt die Fortpflanzung dagegen problemlos", so Prof. Bornberg-Bauer. „Hier sehen wir, dass Wolbachia auch die Entstehung von Arten beeinflusst."

Dr. Telschow sagt: „Dass wir nun im Genom von Erzwespen einen DNA-Abschnitt nachgewiesen haben, der aus Wolbachia stammt, ist aus evolutionsbiologischer Sicht hochinteressant. Es ist ein schönes Beispiel dafür, welch verschlungene Pfade die Evolution gehen kann." Bereits zu einem noch früheren Zeitpunkt in der Evolution, so zeigten die münsterschen Wissenschafter, wurde der besagte DNA-Abschnitt zwischen Wolbachia-Bakterien und Pockenviren ausgetauscht. „Wir wissen, dass dieses Gen den Pockenviren hilft, das Immunsystem ihrer Wirte zu ihren Gunsten zu verändern", so Prof. Bornberg-Bauer, „und wir vermuten, dass dieses ‚Geschenk' nun dazu beiträgt, dass sich Wolbachia in den Erzwespen optimal vermehren kann." Einen Unterschied zum Trojanischen Pferd gibt es aber: Das evolutionäre Wechselspiel zwischen Wespen und Bakterien ist mit dem Danaergeschenk nicht vorbei - im Gegensatz zum Krieg um Troja.

Literatur