Pressemitteilung upm

Münstersche Forscher auf Spurensuche in Chile

Untersuchungen zeigen: Tsunami bewegte 20 Tonnen schwere Gesteinsblöcke

Münster (upm), 03. Mai 2010

Dieser Gesteinsblock wurde vom Tsunami auf die Küste transportiert.
Dieser Gesteinsblock wurde vom Tsunami auf die Küste transportiert. Foto: Bahlburg/Spiske
Prof. Dr. Heinrich Bahlburg (links) bei Vermessungsarbeiten. Im Hintergrund Untersuchungen durch chilenische Staatsbedienstete.
Prof. Dr. Heinrich Bahlburg (links) bei Vermessungsarbeiten. Im Hintergrund Untersuchungen durch chilenische Staatsbedienstete. Foto: Bahlburg/Spiske

Der Tsunami, der im Februar 2010 weite Küstenbereiche Zentralchiles verwüstete, transportierte Gesteinsblöcke von dreieinhalb Meter Kantenlänge und bis zu 20 Tonnen Gewicht etwa 200 Meter weit ins Landesinnere. Diese und andere Beobachtungen machten Forscher vom Institut für Geologie und Paläontologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) jüngst in Chile. Dort führten sie über drei Wochen geologische Untersuchungen im Gelände zu Ausmaß und Wirkung des Tsunamis durch. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, in Zukunft das Gefährdungspotenzial von durch Tsunamis bedrohte Küsten zu bestimmen.

Prof. Dr. Heinrich Bahlburg und Dr. Michaela Spiske vom Institut für Geologie und Paläontologie bildeten als einzige Deutsche eines von mehreren internationalen Forscherteams. Diese untersuchten auf Einladung der chilenischen Regierung und koordiniert von der UNESCO die Wirkung des Tsunamis auf Häfen, Wohngebäude, Industrieanlagen und Küstenräume. Ursache des Tsunamis war ein Erdbeben der Moment-Magnitude 8,8 mit einem Epizentrum im Südpazifik, nördlich der chilenischen Stadt Concepción. Heinrich Bahlburg skizziert das Ausmaß der Zerstörung: "Erdbeben und Tsunami kosteten zusammen etwa 500 Menschenleben. Einige Regionen wurden infolge des Erdbebens um drei Meter angehoben. Zwischen Valparaiso im Norden und Valdivia im Süden Chiles zerstörte der Tsunami zahlreiche Küstenorte. Der Tsunami drang an manchen Stellen bis zu drei Kilometer ins Landesinnere vor und erreichte Überflutungstiefen von bis zu acht Meter. Die höchsten überfluteten Geländepunkte lagen rund 40 Meter über dem Meeresspiegel."

Die münsterschen Wissenschaftler, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wurden, unternahmen detaillierte Geländevermessungen. "Zudem haben wir untersucht, inwieweit der Tsunami die Geomorphologie entlang der betroffenen Küsten verändert hat und welche sedimentären Ablagerungen und Erosionsstrukturen er beim Auf- und Ablaufen hinterlassen hat", erklärt Michaela Spiske. Die Forscher konnten zwischen zwei Arten von Sediment unterscheiden. Grobe bis feine Sande wurden beim Landfall des Tsunamis erodiert und in die Flut aufgenommen. Ihre endgültige Ablagerung erfolgte schließlich in großen Schwemmfächern beim Ablaufen des Wassers. Lose herumliegende Gesteinsblöcke wurden aus dem küstennahen, flachen Meer rollend bis zu 200 Meter ins Landesinnere transportiert.

"Das hydrodynamische Verhalten von Tsunamis bei Auf- und Ablaufen sowie insbesondere die Prozesse, die zur Erosion und Ablagerung von Sedimenten unterschiedlichen Kalibers führen, sind noch weitgehend ungeklärt", so Heinrich Bahlburg. "Wir sind überzeugt, dass unsere Geländebefunde neue Erkenntnisse zu Sedimentationsprozessen liefern. Wir werden unsere Ergebnisse in den nun folgenden Laboruntersuchungen erhärten." Die Ergebnisse werden zudem helfen, die Ablagerungen von historischen oder noch älteren Tsunamis in der geologischen Überlieferung besser aufzufinden. Eine zunehmend genaue Kenntnis dieser Überlieferung wird es schließlich erlauben, Wiederholungsintervalle und Magnitude von Tsunamiereignissen, und damit das Gefährdungspotenzial für die entsprechenden Küsten, zu bestimmen.

AG Bahlburg