Pressemitteilung upm

Wie spricht der Norden?

DFG-Projekt zu Sprachvariationen

Münster (upm), 11. Mai 2010

Um heraus zu finden, wie der Norden spricht, haben  Projektgruppen der Universitäten Bielefeld, Frankfurt/Oder, Hamburg, Kiel, Potsdam und Münster im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Großprojektes "Sprachvariation in Norddeutschland" (SiN) zwei Jahre lang in 18 Regionen des gesamten norddeutschen Raums umfangreiche Sprachdaten erhoben. Im Germanistischen Institut der Universität Münster untersuchen Pamela König, Jens Philipp Lanwer und Daniela Twilfer unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Macha den konkreten Sprachgebrauch in norddeutschen Familiengesprächen. Ziel der Forschungsgruppe ist es, "Sprachbewegungen" im Gesprächsverlauf, das heißt, das Hin und Her im Sprachgebrauch zwischen einerseits niederdeutschen Dialekten und andererseits hochdeutschbasierten, regionalen Umgangssprachen systematisch zu erfassen und zu beschreiben.

Von insgesamt 144 Frauen im Alter von 40 bis 55 Jahren liegen sowohl so genannte "metasprachliche Daten" als auch so genannte "objektsprachliche" Daten vor. Die metasprachlichen Daten liefern Informationen zur Spracheinstellung, zur Sprecherbiografie sowie zum laiensprachlichen Wissen der untersuchten Gewährsfrauen. Die objektsprachlichen Daten umfassen unter anderem niederdeutsche Dialektübersetzungen so genannter "Wenkersätze". Das sind 40 standardisierte Sätze, anhand derer die Unterschiede in den Dialekten deutlich werden. Auch Proben zur hochdeutschen Leseaussprache, aber auch Aufnahmen von ungezwungenen Gesprächen im Kreis der Familie wurden genommen.

Die Daten wurden mit einer Software zur Erstellung digitaler Sprachkorpora bereits aufbereitet und zu einem systematisch durchsuchbaren Gesamtkorpus zusammengeführt. In den kommenden zwei Jahren werden auf dieser Basis an den einzelnen Projektstandorten verschiedene Fragestellungen zur aktuellen Sprachsituation in Norddeutschland bearbeitet.

Im münsterschen Projekt wird untersucht, ob es zu Vermischungen zwischen niederdeutschen Dialekten einerseits  und andererseits hochdeutschbasierten, regionalen Umgangssprachen kommt. Zum Anderen stellt sich die Frage, ob Bewegungen zwischen unterschiedlichen Sprachformen willkürlich erfolgen, oder bestimmte, eventuelle auch konventionalisierte kommunikative Funktionen im Gesprächszusammenhang erfüllen. Im Anschluss an die zunächst regional ausgerichteten Analysen sollen die erarbeiteten Ergebnisse weiterführend einem überregionalen Vergleich unterzogen werden.

Übergeordnetes Ziel der Forschungsarbeit ist es, in Kooperation mit den anderen Projektstandorten ein möglichst umfassendes Bild der aktuellen Sprachsituation in Norddeutschland zu skizzieren und somit auch eine Kontrastfolie für zukünftige Untersuchungen der hiesigen Sprachverhältnisse zu schaffen. Der in Münster praktizierte, "sprachgebrauchsorientierte" Zugriff ist in diesem Gemeinschaftsunterfangen ein wichtiger Baustein. Die Untersuchung verspricht Aufschluss darüber zu geben, inwiefern die Familie im 21. Jahrhundert noch ein Ort regionalen Sprachgebrauchs ist und welche Bedeutung der Gebrauch lokal gebundener Sprachformen hier hat.

Homepage Prof. Macha