Pressemitteilung upm

Widerstand gegen das NS-Regime

Die katholische Kirche spricht im Sommer drei ehemalige Studenten der WWU selig

Münster (upm), 16. Februar 2011

Mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrem Tod spricht die katholische Kirche in diesem Sommer drei ehemalige Studenten der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) selig: die Kapläne Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek. Sie gehörten zur Gruppe der "Lübecker Märtyrer", vier Geistliche im Alter von 31 bis 49 Jahren, die sich gegen das nationalsozialistische Terrorregime stellten und dafür mit dem Leben bezahlten.

Eduard Müller war als jüngstes von sieben Kindern in armen Verhältnissen in Neumünster aufgewachsen. Nach einer Tischlerlehre ermöglichten ihm Mitglieder seiner Heimatgemeinde das Studium der katholischen Theologie an der Universität Münster. Johannes Prassek stammte aus einer Hamburger Arbeiterfamilie und studierte ebenfalls Theologie in Münster. Als Kaplan wagte er es, die Gegensätze zwischen dem katholischen Glauben und der Nazi-Ideologie offen zur Sprache zu bringen. Um Zwangsarbeiter seelsorglich betreuen zu können, lernte er sogar Polnisch. Im Gegensatz zu Müller und Prassek wuchs der in Leer geborene Hermann Lange in gutbürgerlichen Verhältnissen auf, sein Vater war Lehrer, sein Onkel Domdechant in Osnabrück. Als Gymnasiast schloss er sich dem katholischen "Bund Neudeutschland" und damit der Geisteswelt der kirchlichen Reformbewegung an.

Münster spielte für Leben und Wirken der drei jungen Geistlichen eine herausragende Rolle: Während ihres Studiums von 1933 bis 1939 lernten sie dort Kardinal Clemens August von Galen und seinen Widerstand gegen die NS-Weltanschauung kennen. Unter großer Gefahr und Geheimhaltung tippten sie seine Predigten ab, um sie anschließend zu vervielfältigen und zu verteilen.

Nach der Priesterweihe waren Lange, Müller und Prassek als Vikare an der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck tätig. Die weitgehende Zerstörung der Lübecker Altstadt in der Nacht vor dem Palmsonntag 1942 durch britische Bomben wurde zur Initialzündung für den offenen Protest der jungen Männer gegen die NS-Herrschaft. Bei den Beerdigungen der Opfer lernten die drei Kapläne den in Münster geborenen evangelisch-lutherischen Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink kennen. Aus Wut und Ohnmacht entwickelte sich der tätige Widerstand der vier Geistlichen. Sie protestierten von ihren Kanzeln und in Flugschriften gegen die Nazis. Gläubige beider Konfessionen schlossen sich der Regimekritik an.

Das blieb nicht ohne Folgen: Die evangelische Kirche bestrafte Stellbrink mit einem Amtsenthebungsverfahren. Bald darauf erfuhr auch die Gestapo vom Lübecker Christenwiderstand. Nach einer Hausdurchsuchung nahm sie Stellbrink im April 1942 fest. Es fand sich bei ihm ausreichend Beweismaterial, um auch die drei Kapläne sowie 18 weitere Gläubige zu verhaften. Die Laien waren jedoch in den Augen der Richter nur von den Geistlichen Verführte, denen man die Hauptschuld zusprach.

In den Lübecker Prozess schaltete sich Adolf Hitler persönlich ein: Aus Angst vor einem Aufstand beider Konfessionen wollte der Diktator in Absprache mit dem Reichskirchenminister ein Exempel an den Lübecker Geistlichen statuieren. Aus der Anklageschrift ließ er daher sämtliche Stellen entfernen, die den Namen von Galens enthielten, da er um dessen Macht und Einfluss wusste. Das Urteil des Volksgerichtshofs nannte am 5. April 1943 folgende Vergehen: Zersetzung der Wehrkraft, Feindbegünstigung, Rundfunkverbrechen. Die Häftlinge saßen mehr als ein Jahr im berüchtigten Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis, bevor sie am Abend des 10. November 1943 durch das Fallbeil hingerichtet wurden.

Der Lübecker Historiker Peter Voswinckel hat 2004 die verloren geglaubten Gerichtsakten und Abschiedsbriefe der vier Märtyrer im Berliner Bundesarchiv entdeckt: "Der Fund vervollständigt unser historisches Wissen um diese Vorgänge", berichtet der Wissenschaftler. Im Seligsprechungsprozess haben die Dokumente eine wichtige Rolle gespielt, denn für diese Würdigung der katholischen Kirche ist nachzuweisen, dass die Personen "als Blutzeugen für den Glauben" gestorben sind. Eine ökumenische Besonderheit der Seligsprechung, die am 25. Juni feierlich vor der Propsteikirche in Lübeck begangen wird: Die Christen werden auch des vierten Märtyrers, des evangelischen Pastors Stellbrink, gedenken. Nach kanonischem Recht kann er als Protestant nicht seliggesprochen werden.

Unter den wiederentdeckten Schriftstücken fanden sich auch zwei Briefe Johannes Prasseks an seine Eltern und eine Ordensschwester, die seinen tiefen Glauben bezeugen: "Gott ist so gut, dass er mich noch einige Jahre als Priester hat arbeiten lassen und dieses Ende – so mit vollem Bewusstsein und in ruhiger Vorbereitung darauf sterben dürfen ist das Schönste von allem."