Pressemitteilung upm

"Eine gewaltige Verletzung der Menschenrechte"

Zu Gast an der WWU: Philosoph Prof. Dr. Thomas Pogge regt Reformen im globalen Gesundheitssystem an

Münster (upm), 21. April 2011

Philosoph Prof. Dr. Thomas Pogge regte bei seinem Besuch an der WWU Reformen im globalen Gesundheitssystem an.
Philosoph Prof. Dr. Thomas Pogge regte bei seinem Besuch an der WWU Reformen im globalen Gesundheitssystem an. Foto: WWU

Dem gegenwärtigen weltweiten System zur Versorgung mit Medikamenten stellt der Philosoph Prof. Dr. Thomas Pogge, der im April Fellow der Kolleg-Forschergruppe "Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik" der WWU ist, ein vernichtendes Zeugnis aus. Es setze die falschen Anreize für die Pharma-Industrie und führe durch die strukturelle Benachteiligung der Ärmsten dieser Welt zu einer "Verletzung der Menschenrechte", betonte Thomas Pogge bei seinem Vortrag an der Universität Münster. Ein von ihm initiiertes Reformprojekt soll dabei helfen, die pharmazeutische Forschung wieder in die richtigen Bahnen zu lenken und auch armen Menschen den Zugang zu essentiellen Medikamente zu ermöglichen.

Thomas Pogge ist ein international renommierter Philosoph, insbesondere beschäftigt er sich mit der politischen Philosophie und Ethik. Anders als man es womöglich von einem Philosophen erwartet hätte, hielt sich Thomas Pogge bei seinem Vortrag "Ein gerechteres globales Gesundheitssystem" nicht mit theoretischen Debatten auf. Als herausragender Schüler und zugleich größter Kritiker des bekannten Philosophen John Rawls liegt ihm vor allem daran, dessen Theorien internationaler Gerechtigkeit zur Anwendung zu bringen. Seit einigen Jahren wirbt er weltweit und auf vielen politischen Ebenen für ein konkretes Projekt – den "Health Impact Fund". Erst vergangene Woche wurde er dazu als Experte im Europäischen Parlament in Brüssel angehört.

Bisher regelt das sogenannte TRIPS-Abkommen – neben anderen Rechtsbereichen – die Patentvergabe von Medikamenten. Diesem internationalen Übereinkommen zufolge wird für medizinische Innovationen ein 20-jähriges Patent gewährleistet, um die Forschungs- und Entwicklungskosten decken zu können. Thomas Pogge wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die damit geschaffene Monopolstellung zu hohen Preisen und zur übermäßigen Entwicklung von Kopien umsatzstarker Medikamente führt, welche die knappen Forschungskapazitäten in hohem Maße bindet. Außerdem fördere das Abkommen zu stark die Forschung und Entwicklung von Medikamenten zur Bekämpfung von Wohlstandskrankheiten.

Der "Health Impact Fund" hingegen soll als internationaler Fonds Entlohnungen für pharmazeutische Unternehmen bereithalten, je nachdem, in welchem Umfang die Medikamente zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheitsversorgung beitragen. Teilnehmende Unternehmen sollen so nicht nur in Entwicklungsländern, sondern – durch preislich erschwinglichere Produkte – auch in wohlhabenderen Staaten Kunden gewinnen können. Damit werde, laut Thomas Pogge, das Problem der medizinischen Unterversorgung der armen Menschen erstmals systematisch in Angriff genommen und zugleich  den Pharmaunternehmen ein neuer Markt eröffnet. Zudem ließe sich das bei vielen Unternehmen angekratzte Image wieder aufpolieren.

Wie bei vielen politischen Projekten steht die Frage der Finanzierung im Vordergrund. Diese soll über einen kleinen Prozentsatz des Bruttonationaleinkommens (BNE) der teilnehmenden Länder erfolgen. Mit 0,03 Prozent des BNE würden insgesamt jährlich sechs Milliarden Dollar im Fonds zur Verfügung stehen. Dieser Betrag ist ungefähr ein Sechstel von dem, was 2004 weltweit allein an Werbemaßnahmen für pharmazeutische Produkte ausgegeben wurde. "Diese finanzielle Investition sind wir den armen Menschen schuldig", betonte Thomas Pogge.

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