Münster (upm), 15. Juni 2011
Ein Kinderbuch soll es sein, mit possierlichen Zwergen und gruseligen Riesen. Doch in Wirklichkeit waren "Gullivers Reisen" eine bitterböse Satire, die im Laufe der Jahrhunderte durch Umschreibungen und Auslassungen zur Lektüre für Kinder verharmlost wurde. Das Ehrenpreis-Center für Swift-Forschung der Universität Münster hat es sich zur Aufgabe gemacht, den wahren Autor Jonathan Swift und seine literarische Bedeutung neu zu entdecken. Bereits zum sechsten Mal findet daher vom 20. bis 22. Juni das internationale Swift-Symposium statt, zu dem Wissenschaftler aus Australien, Kanada und den USA ebenso wie aus Großbritannien, Frankreich, Irland, Italien, Ungarn und Deutschland erwartet werden.
Die neuesten Erkenntnisse zum Dechanten der Kathedrale des Hl. Patrick zu Dublin wurden in sieben thematischen Sektionen gebündelt. Neben Swifts frühem Geniestreich "Ein Tonnenmärchen" von 1704 kommen am ersten Tag Aspekte der Biographie und deskriptiv-analytischen Bibliographie und Textkonstitution zur Sprache. Am zweiten Tag folgt auf eine Sektion zu Swifts religiösen, politischen und historiographischen Arbeiten eine weitere zur problematischen Beziehung des Dechanten zu Irland, dem Land seines "Exils", sowie zu Aspekten der Wirkungs- und Aneignungsgeschichte. Am dritten Tag schließlich kommen "Gullivers Reisen" und die Gedichte Swifts in jeweils einer eigenen Sektion zu Wort.
Das Symposium wird begleitet durch eine Ausstellung zum Thema "Swiftian Material Culture", die aus den reichen Beständen des Ehrenpreis-Instituts bestückt wurde und in der Bibliothek des Englischen Seminars, Johannisstraße 12-20, zu besichtigen ist. Das münstersche Institut trägt den Namen des renommiertesten Swift-Experten seiner Generation, Irvin Ehrenpreis, der 1985 in Münster starb. Nach seinem Tod wurde das Ehrenpreis-Center mit seinen Arbeitspapieren und der umfangreichen Bibliothek zum 17. und 18. Jahrhundert eingerichtet. Zuletzt konnte das Ehrenpreis-Center rund 1.400 Bände der Bibliothek des Swift-Gelehrten David L. Woolley aus Perth erwerben. Damit beherbergt Münster die weltweit mit Abstand größte Sammlung zu Leben und Werk von Jonathan Swift.